Interview, aus dem Jahre 2019, geführt mit Joseph Vogl. Es beginnt prätentiös mit der Einleitung wird dann aber doch recht schnell ein Gespräch, dass ich gerne gelesen habe: geht um Probleme, Antworten&Fragen, zum Ende gar noch um Glück. Hier zu finden: https://www.praeposition.com/text/interview/joseph-vogl
Interview, ganz frisch 2024, geführt mit Helmut Draxler. Auch hier der Start spezifisch, den Kunstverein München betreffend, dann geht es um Kunst und Politik, die Differenzen von Kunst und Politik, die Nützlichkeit der Psychoanalyse und dass Krise bedeutet die Kommunikation zu suchen und nicht sich zu verkriechen.
„Die Vorstellung eines Raums ohne Probleme erscheint mir zutiefst suspekt“ Helmut Draxler im Gespräch mit Jonas von Lenthe
Installationsansicht / Installation view, 15 Jahre 1980, Kunstverein München, 1995; Foto / photo: Ingrid Scherf.
Das vorliegende Gespräch mit Helmut Draxler, der von 1992 bis 1995 Direktor des Kunstverein München war, entstand als Reaktion auf den Archivnewsletter Nr. 11 (April 2023), der sich mit dem Projekt faschismusersatz auseinandersetzte. Das Film- und Veranstaltungsprogramm, das 1993 unter anderem im Kunstverein München stattfand, reagierte auf die beunruhigende Zunahme neonazistischer Aktivitäten in deutschen Städten und auf ein neues gesamtdeutsches Nationalbewusstsein jener Zeit. Das Programm erstreckte sich über vier Monate und setzte sich aus Filmvorstellungen, Lesungen und Diskussionen im Kunstverein, im Backstage Club und im Neuen Theater München zusammen. Die Initiator*innen des Projektes richteten ihren Fokus unter anderem auf die Kontinuitäten des Faschismus in der deutschen Gesellschaft. faschismusersatz und sein historischer Kontext bilden den Ausgangspunkt für dieses Gespräch. Im Folgenden geht es um das widersprüchliche Verhältnis von Kunst und Politik, den Begriff der „Repolitisierung“, die Verstaatlichung von Erinnerungspolitik und heutige Formen des politischen Aktivismus.
Jonas von Lenthe: Du warst von 1992 bis 1995 Direktor des Kunstvereins, Hedwig Saxenhuber die Kuratorin. Aus heutiger Sicht ist es beeindruckend, wie sich in eurem Programm diskursive, künstlerische und aktivistische Ansätze getroffen haben. Diese Gemengelage stellt den Kontext für das Film- und Veranstaltungsprogramm faschismusersatz dar, das 1993 unter anderem im Kunstverein stattfand. Wie würdest du dieses Zusammentreffen der unterschiedlichen Ansätze insbesondere in Hinblick auf das oft in diesem Kontext verwendete Schlagwort der Repolitisierung beschreiben?
Helmut Draxler: Die Veranstaltung faschismusersatz hatte ich damals ja nur ermöglicht, indem ich die Räumlichkeiten des Kunstvereins zur Verfügung gestellt habe, ohne sie aktiv mitzugestalten. Auch wenn die Veranstaltung also nicht den Kern unseres Programms darstellte, so steht sie doch für etwas Wichtiges. An diesem Beispiel lässt sich gut über eine Reihe von Fragen nachdenken: Welchen politischen Stellenwert hatte faschismusersatz damals? Wie kam es überhaupt dazu, in einem Kunstverein eine solche Veranstaltung zu machen? Und wie kann man aus der heutigen Perspektive auf sie blicken, in der sich die politischen Konstellationen wieder so deutlich verändert haben?Du hattest das Stichwort der Repolitisierung genannt, das damals in aller Munde war, nach den 1980er Jahren, in der die Politisierungswelle der 70er Jahre ja noch einmal unterbrochen wurde. In den 80ern wurde auf andere Formen künstlerischer und kultureller Repräsentation gesetzt. Rückblickend lässt sich feststellen, dass dies der letzte Einspruch sowohl gegen die Politisierung als auch gegen die Akademisierung der Kunstwelt war. So gab es in den 1980er Jahren zumindest in Europa nur ganz wenige diskursive Veranstaltungen. Erst ein für uns damals neuer Impuls aus den USA änderte das. Der Diskurs war eine Art Schnittstelle zwischen der Politik und der Kunst; man denke an die berühmten Aufsatzsammlungen der Zeit, wie Hal Fosters The Anti-Aesthetic: Essays on Postmodern Culture (1983) oder Brian Wallis’ Art after Modernism. Rethinking Representation (1984), die diese Entwicklung entscheidend angestoßen haben, indem sie eine linke Lesart der Postmoderne vorgeschlagen haben. Das hat uns am Kunstverein dazu gezwungen, nicht einfach nur ein Programm zu machen, sondern auch ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie sich Kunst überhaupt verorten lässt, im Verhältnis zu Diskurs und Politik ebenso wie im historischen Sinn, insbesondere in Bezug auf die Tradition der Avantgarde. Und wie lässt sich eine solche Konstellation im Rahmen der konkreten Arbeit am Kunstverein überhaupt darstellen?
faschismusersatz. film- und veranstaltungsprogramm. texte, filme, diskussionen zu faschismus, widerstand und postdemokratischen kontrollsystemen (ersatz facism. film and event program. texts, films, discussions on fascism, resistance and post-democratic control systems), München: Selbstverlag / Munich, self-published, 1993.
JvL: Du hast gerade in Wien gemeinsam mit Antonia Birnbaum eine Konferenz mit dem Titel Dialektik und Anti-Dialektik [1] organisiert. In deinem Vortrag Der Entzug des Denkens stellst du eine „Krise des Denkens“ fest und bringst diese in einen Zusammenhang mit den sich gegenüberstehenden Denkansätzen der Dialektik und der Anti-Dialektik. Du sagst auch, dass deine Generation von einem beispiellosen Siegeszug der Anti-Dialektik geprägt ist – vor allem im Namen des Post-Strukturalismus und den daran anschließenden Bewegungen zwischen Post-Operaismus und Neuem Materialismus, Gender, Queer und Postcolonial Studies. Könntest du die Diskurstraditionen dieser beiden Lager beschreiben? Wo würdest du euer Programm am Kunstverein in diesem philosophischen Konflikt zwischen Dialektik und Anti-Dialektik verorten?
HD: Wir waren damals alle sehr starke Anhänger*innen der Anti-Dialektik: Insbesondere Gilles Deleuze und Félix Guattari mit ihrem Anti-Ödipus von 1972, aber auch Jacques Derrida. Diese Kerntexte der französischen Theorie, die für uns zentral waren, verstanden sich seit den 1960er Jahren in ihrer Bewegung gegen Hegel wesentlich anti-dialektisch, also nietzscheanisch. Gleichzeitig, und ich denke, das war uns damals gar nicht bewusst, gab es natürlich immer auch ein Flirten mit der Dialektik, also mit Hegel. Aus diesem Grund ist auch die Lacan-Schule etwa um Slavoj Žižek in Ljubljana dann später immer wichtiger geworden. Für mich war Žižek damals zumindest eine Bestätigung, der Anti-Dialektik nicht in dem Sinne zu folgen, dass sich alles in Mikrodifferenzen auflöst, so, wie Deleuze in der Techno-Community in den 1990er Jahren rezipiert oder für einen kulturwissenschaftlichen Ansatz produktiv gemacht wurde. Die Vorstellung, es gebe keine Unterscheidung mehr zwischen Kunst und Kultur oder zwischen Kunst und Politik, alles seien bloß „kulturelle Praktiken“ und darin löse sich alles in gleichsam empirische Differenzen auf, die man endlos ausbreiten kann, ist mir zunehmend unheimlich geworden.Meine konkrete Erfahrung war nämlich, und ich war damals selbst noch ein ganz großer Deleuze-Fan, letztlich eine andere. Meine Erfahrung war, dass sich diese Begriffe nicht einfach auflösen und dass wir eher versuchen müssen, mit den historischen Differenzen und den damit gegebenen Widersprüchen umzugehen. Und das heißt natürlich Dialektik! Es bedeutet, Kunst und Politik nicht einfach auf ein gemeinsames Programm der unendlichen Differenzierung zu projizieren, sondern sie in ihrer Differenz anzunehmen und in ihrer Konflikthaftigkeit zu diskutieren. Deshalb gab es am Kunstverein München ein Kunstprogramm, und es gab eben auch ein politisches Programm, im Gegensatz zu den vielen Vermischungsansätzen andernorts – man denke an die sogenannten Berliner Zusammenhänge oder die Shedhalle in Zürich – die versucht haben, die Differenzen total ineinander aufzulösen, und keine Differenzierung mehr zuzulassen.Deswegen war es so wichtig, nicht nur zwischen den künstlerischen und den politischen Ansätzen, sondern auch innerhalb des offiziellen Programms eine Differenz aufrechtzuerhalten, etwa zwischen ganz klassischen und unglaublich schönen Ausstellungen, wie zum Beispiel Louise Lawlers A Spot on the Wall von 1995 und dem „totalen Chaos“ bei der Sommerakademie von Stephan Dillemuth. Genau das sollte den Reiz ausmachen: die Besucher*innen sollten immer wieder mit Dingen konfrontiert werden, die sie nicht erwarten. Das Denkmodell dahinter ist eben im Wesentlichen ein dialektisches, das nicht auf die Auflösung der Kategorien setzt, sondern davon ausgeht, dass wir nur aus den Kategorien heraus mit diesen sinnvoll, das heißt in Bezug auf Negation und Widerspruch arbeiten können.
Installationsansicht / Installation view, Louise Lawler: A Spot on the Wall, Kunstverein München, 1995; Foto / photo: Wilfried Petzi.
JvL: Dir ist also wichtig zu betonen, dass faschismusersatz eine politische Veranstaltung war, die nicht den Anspruch hatte, als künstlerisches Projekt zu wirken?
HD: Ja, absolut. Dass faschismusersatz am Kunstverein stattfand, hatte ja vor allem damit zu tun, dass es damals schwierig war für diese – ich nenne sie mal – postautonomen Szenen in München Räume zu finden, weil München halt München ist. Daraus ergab sich überhaupt erst das Interesse. Gleichzeitig kam in den frühen 90er Jahren, vor allem von Hamburg ausgehend, in den sogenannten Wohlfahrtsausschüssen die Idee auf, man müsse wieder Bündnisse suchen zwischen der Pop-, Politik- und Musikszene. In diesem Kontext war es für uns wichtig daran festzuhalten, dass wir an einem Abend durchaus eine politische oder auch eine theoretische Veranstaltung machen können, dass dies jedoch nicht unbedingt Teil des offiziellen, künstlerischen Programms sein muss. Wir unterlegten diesen Veranstaltungen also zumindest keinen direkten Kunstcode, sondern ließen sie erstmal für sich funktionieren. Erst später sind daraus dann auch gemeinsame Projekte entstanden.
JvL: Welche Rolle hat die Psychoanalyse in den diskursiven Strömungen gespielt, in denen ihr euch damals aufgehalten habt?
HD: Für mich war die Psychoanalyse eine ganz entscheidende, grundlegende Erfahrung. Ich war seit den frühen 80er Jahren in psychoanalytischen Lesegruppen aktiv, doch gleichzeitig gab es dieses Verdikt von Deleuze und Guattari gegen die Psychoanalyse. Dieses Verdikt abzustreifen – ohne deshalb Deleuze und Guattari vollkommen zu verabschieden – stellte die Voraussetzung dar, mich auch persönlich immer stärker in psychoanalytische Denk- und Praxisformen zu involvieren. Im Laufe der 90er Jahre wurde die Psychoanalyse für mich zum wesentlichen Bezugspunkt, weil sie ein Modell dafür anbietet, wie man mit Widersprüchen und unterschiedlichen Meinungen auf persönlicher, sozialer, institutioneller und letztlich auch politischer Ebene umgehen kann. Gerade der praktische Aspekt war das wirklich Faszinierende daran: Wie kann man Polaritäten und Widersprüche nicht nur denken, wie in der philosophischen Tradition, sondern wie kann man sie an sich selbst und in kleinen Gruppen im psychodynamischen Prozess erfahren?Genau das scheint mir ja auch die große Frage unserer Gegenwart zu sein: Welchen inneren, psychologischen und welchen sozialen Raum gibt es überhaupt noch, in dem man die unterschiedlichen Meinungen aushalten und die Konflikte um ihre Differenz austragen kann? Auf allen Seiten überwiegen ja die Versuche, jede Gegenposition möglichst vollständig zu diskreditieren – was man gemeinhin Canceln nennt –, um sie in der auch für einen selbst verstörenden Dimension nicht wahrnehmen und sich dementsprechend nicht mit den eigenen Anteilen am jeweiligen Konflikt auseinandersetzen zu müssen. Psychoanalytiker wie Wolfgang Trauth oder Stavros Mentzos hatten solche Dynamiken als ein interpersonales Delegationsgeschehen in dem Sinn beschrieben, dass wir ständig eigene Anteile unserer bipolaren Motivations- und Bedürfnisstrukturen an andere auslagern, um deren grundlegende Konflikthaftigkeit nicht in und mit uns selbst austragen zu müssen. So kann ich mich als gut, liebevoll und anderen zugewandt begreifen, während die anderen böse, egoistisch oder gierig sind. Aus diesem interpersonalen Delegationsgeschehen lässt sich lernen, dass es nicht einfach die Anderen sind, die an den aktuellen Konflikten Schuld sind, die Medien oder irgendwelche Verschwörungen, sondern letztlich auch wir selbst. Von hier aus wird auch der Furor verständlich, der einen sofort trifft, wenn man versucht, aktuelle Konflikte nicht im Sinne einer solchen Schuld-Delegation zu adressieren. Wenn man nicht die Begriffe „Terror“, „Genozid“, „Pogrom“ oder „Apartheid“ verwenden möchte, verrät man gleich die ganze Bewegung, oder schlimmer noch, geht einen Kompromiss mit dem Gegner ein, in jedem Fall ist man ein moralisch vollkommen diskreditierter Mensch. Allerdings verursachen solche Mobilisierungsstrategien, dass der symbolische Ort, der Politik überhaupt erst möglich macht, verhindert und verstellt wird, sodass nur mehr die Bekenntnishaftigkeit von Politik übrigbleibt.
JvL: Was du ansprichst, bringt mich zurück zum eigentlichen Ausgangspunkt unseres Gesprächs. Denn ging es bei faschismusersatz nicht auch gerade um den internalisierten Faschismus, also um die Frage, welches faschistische Potential in mir selbst steckt?
HD: Ja, das ist richtig. Ich denke, dieser Hintergrund im gleichsam alltäglichen Faschismus war sehr wichtig, in den Kontinuitäten auf der sprachlichen, mentalitätsgeschichtlichen und habituellen Ebene. Er war gleichzeitig auch der Ausgangspunkt für Adrian Pipers Ausstellung: hierbei ging es darum zu sagen, dass der Rassismus nicht delegiert werden kann; er findet nicht „drüben“, bei den anderen in der ehemaligen DDR statt, sondern im Hier und Jetzt. Rassismus ist allgegenwärtig und fordert uns alle heraus.
Man könnte sagen, dass das politische Projekt, der faschismusersatz, und das künstlerische Projekt von Adrian Piper dahingehend konvergierten, dass man dem zuvor beschriebenen Delegationsgeschehen zwar mit Sicherheit nicht gänzlich entkommen kann, dass es aber Momente gibt, an denen man innehalten kann und sich ansehen kann, was es mit uns genau auf der Ebene einer möglichen Politisierung macht. Vor diesem Hintergrund kann ich etwa keinen Antirassismus vertreten, der die Form einer absoluten Reinheitsfantasie annimmt – denn den differenz- und konfliktfreien Raum gibt es nicht. In einer solchen Fantasie reproduziert sich etwas von dem Rassismus, auf den ich bei den anderen zeige, um mich in dem Moment selbst davon freizusprechen. Genau darin liegt die Gefahr einseitig moralischer Zuspitzungen. Ich habe mehr Vertrauen zu Leuten, die sich ihre eigene Fehlbarkeit zumindest ein wenig eingestehen. Wir leben grundsätzlich in einem sozialen Raum, der von Unterschieden geprägt ist – das macht ihn erst zu einem sozialen Raum –, aus dem wir nicht vollkommen ausbrechen können. Die Vorstellung eines Raums ohne Probleme erscheint mir hingegen zutiefst suspekt, auch dort wo nur implizit mit ihr geliebäugelt wird.
JvL: Der Ansatz, den internalisierten Faschismus und Antisemitismus zu reflektieren, taucht auch bei den Antideutschen als Intervention innerhalb der deutschen antifaschistischen Bewegung in den frühen 90er Jahren auf. Während dieser Ansatz ja durchaus produktiv ist, kam es im Laufe der kommenden Jahre zur „problematischen Zuspitzung zu einem neuen Hauptwiderspruch“ der antideutschen Position, wie du es in unserem Vorgespräch formuliert hast. Ebenso hast du an meinem Text zu faschismusersatz im Archivnewsletter Nr. 11 kritisiert, dass Dirk Moses’ Analyse, auf die ich mich unter anderem beziehe, dem historischen Kontext von faschismusersatz nicht ganz gerecht wird. Denn in diesem Fall handelte es sich eben nicht um verstaatlichte Erinnerungspolitik, sondern um ein linkes, selbstorganisiertes Format in Opposition zum rechten Klima jener Zeit – Anschläge auf Asylunterkünfte, Schlussstrichforderungen und Neonazi-Aufmärsche –, das eine Auseinandersetzung mit der Shoah und dem Faschismus forderte. Welche Prozesse haben in deinen Augen bei den Antideutschen zu jener „problematischen Zuspitzung zu einem neuen Hauptwiderspruch“ geführt?
HD: Welche historischen Dynamiken im Spiel sind, also die Frage, was zwischen heute und damals liegt, das ist natürlich die schwierigste Frage überhaupt! Selbstverständlich kann man nicht jede Form der Auseinandersetzung mit dem Faschismus auf die aktuellen verstaatlichten Aneignungsformen reduzieren; auch, dass die Deutschen dies aus einem tief verinnerlichten Schuldkomplex heraus täten, halte ich für eine fragwürdige Argumentation. Und ich stimme dir zu, die innerlinke Auseinandersetzung mit linkem Antisemitismus, die die Antideutschen forderten, war mit Sicherheit wichtig. Doch wie kommt es, dass eine eigentlich so marginale linksradikale Bewegung, die in den sektiererischen K-Gruppen [2] der 70er Jahre wurzelt und über nicht mehr als ein paar marginale Zeitschriften verfügte, sich in ihrer Argumentationslogik heute scheinbar widerstandslos in die offizielle Staatspolitik mit Antisemitismusbeauftragten und einer entsprechenden Staatsräson einschreibt? Die Zeitschrift Jungle World, die ja über viele Jahre ein wichtiges Organ für linke Auseinandersetzungen war, hat heute scheinbar keine Scheu, auch einen ehemaligen israelischen General zu interviewen, der den aktuellen Konflikt aus einer rein militärischen Perspektive beurteilt. Das geht doch sehr viel weiter, als ich das für eine linke Perspektive bereit wäre für legitim zu halten. Unheimlich daran ist gerade, wie sich ein solches grundsätzlich wichtiges und interessantes, szenebezogenes Reflexionsprojekt in seiner politischen Positionierung heute kaum mehr von den konservativen Zeitungen FAZ und Die Welt unterscheiden lässt. Das heißt, es gibt hier keine Auseinandersetzung mehr, sondern nur ein Festhalten an einmal erworbenen Wahrheitspositionen. In meinen Augen steht dahinter allerdings eine wahnsinnige Angst, ein nicht-mehr-Vertrauen-können auf die eigene Argumentationskraft.Doch zurück zu deiner Frage: Für mich ist es auch ein Rätsel, warum manche Argumentationsweisen diese unheimlichen, geradezu widersinnigen Karrieren machen, die scheinbar quer zu allen Logiken von Dominanz und Marginalisierung stehen. Die Frage bleibt mithin, wie sich daran noch anschließen lässt. Wie gesagt, grundsätzlich ist die Auseinandersetzung mit linkem Antisemitismus wichtig, und natürlich mit jeder Form von Faschismus auf allen Ebenen, seiner Geschichte, seiner Verinnerlichung, seinen psychosozialen Dimensionen. Doch wenn ich den Antisemitismus zum neuen Hauptwiderspruch mache, also ein Muster herstelle, mit dem die ganze Welt interpretiert werden soll, dann löst das natürlich enorme Widersprüche aus, weil andere in durchaus legitimer Weise die Welt auch anders sehen können.
Vanilla Nightmares von / by Adrian Piper als Teil der Ausstellung / as part of the exhibition Adrian Piper Retrospektive, 1992; Foto / photo: Wilfried Petzi.
JvL: Siehst du einen Zusammenhang zwischen diesen Zuspitzungslogiken und dem Siegeszug der Anti-Dialektik, wie du ihn in der Philosophie seit den 90er Jahren festmachst?
HD: Ich denke, da gibt es mit Sicherheit Überlagerungen. Die Zuspitzung ist natürlich ein Teil des linken Erbes – schon immer waren die Genoss*innen von gestern die Feinde von heute nach dem Muster von „wer hat uns verraten, Sozialdemokraten“. Genau dieses Erbe, die Aufeinanderfolge von unbedingten Wahrheitsansprüchen, die nicht selten mit religiösen Erlösungsvorstellungen überkodiert sind, gilt es in Frage zu stellen. Solchen Wahrheitsansprüchen würde ich entgegnen, dass die Stärke des linken Denkens gerade darin besteht, dass es sich eben nicht von selbst versteht, dass es mit vielen Problemen befrachtet ist, dass es aber von einer Art von Überzeugung getragen ist, dass sich die Auseinandersetzung um diese Probleme lohnt. Die eigene Position nur immer weiter zuzuspitzen, in der Hoffnung, irgendwann zum wahren Antagonismus zu gelangen, an dem sich dann die Konflikte lösen und die Welt gut werden wird – ich glaube, über 200 Jahre nach der Französischen Revolution können wir so nicht mehr an die Welt herantreten. Der so erbärmliche Zustand der Linken heute besteht ja gerade darin, dass wir nicht wissen, warum die Leute die Rechten wählen und sich von ihnen so angezogen fühlen. Wir haben keine klare Theorie, die das erklärbar macht, und dann bleibt nur mehr übrig, die alten Besitzstände in Bezug auf soziale und kulturelle Absicherungen zu verteidigen. Das entspricht einer Logik, die die Effekte der eigenen Aussagen und des eigenen Handelns nicht mehr mitdenken kann. Und es ist auch eine Frage der Form, wie mein zugespitztes Argument wirkt, welche Effekte es hat, wenn ich der anderen Person an den Kopf werfe, wie reaktionär und unreflektiert sie hinsichtlich ihrer kapitalistischen, kolonialistischen, sexistischen Dimensionen ist.Darin, also in dem, was die Linke ausschließt, indem sie es zurückstößt, liegt die Kehrseite der Zuspitzung. Was machen wir mit denen, die nicht so denken wie wir? Es gab die Guillotine, den Gulag, die maoistischen Umerziehungslager. Das ist eine Gewaltgeschichte, die ganz massiv innerhalb der Linken situiert ist, die man nicht einfach so fortschreiben kann. Das heißt, es gibt gute Gründe für eine Auseinandersetzung mit der Frage der politischen Form. Georg Lukács und andere haben bereits in den 30er Jahren gesagt, dass wir eine marxistische oder linke Ästhetik brauchen, denn die formalen Probleme lösen sich nicht von selbst. Solche Formfragen können ästhetische Fragen sein, sie können sogar mit dem von vielen verteufelten Geschmack zu tun haben, aber sie können eben auch politischer Natur sein. Für den aktuellen Aktivismus scheint mir dies eine ganz entscheidende Frage zu sein.
JvL: Wie sähe denn eine Form des Aktivismus aus, die ohne eine solche Lösungsgewissheit funktioniert?
HD: Der Aktivismus tendiert aus seiner inneren Logik heraus dazu, die Probleme als schon erledigt zu behandeln; dass man sie nicht mehr denken muss, sondern nur noch im Sinne der Aktion exekutieren muss. Deshalb denke ich, dass es wichtig ist, dass der Aktivismus zum einen stets von einer politischen Reflexion begleitet wird, die immer wieder Zielsetzungen und Methoden, gewollte Ergebnisse und ungewollte Effekte gegeneinander abwägt; und zum anderen, dass er sich selbst nicht als der Weisheit letzter Schuss versteht. Der politische Aktivismus muss Teil eines komplexeren Weltverständnisses bleiben. Und dazu gehören ganz wesentlich Kunst und Philosophie.
Helmut Draxler war von 1992 bis 1995 Direktor des Kunstverein München. Als Kunsthistoriker und Kulturtheoretiker publiziert er regelmäßig zu Theorie und Praxis der Gegenwartskunst. Von 2014 bis 2023 war er Professor für Kunsttheorie an der Universität für angewandte Kunst, Wien. Zuletzt erschien 2021 von ihm beim Brill | Fink Verlag Die Wahrheit der Niederländischen Malerei. Eine Archäologie der Gegenwartskunst. Beim tentare Verlag erscheint diesen November sein neues Buch Was tun? Was lassen? Politik als symbolische Form.Jonas von Lenthe ist seit 2022 Archivar am Kunstverein München.
Die Action am Dienstag, 12. November 2024 um 15 Uhr in Raum 117:
– Katarina stellt ihr Material-Research-Programm vor – Kiki berichtet von ihrer Reise nach London – Stefan zeigt seine neusten Malereien
Am frühen Abend schauen wir uns gemeinsam diesen Film an:
Einstweilen wird es Mittag. 1988, 93 Minuten Regie: Karin Brandauer
! Please note ! The film was a local TV production so it’s only available in German. And no English subtitles either – sorry …
Karin Brandauers Film basiert auf der berühmten soziologischen Studie ‚Die Arbeitslosen von Marienthal‘. (Marienthal, da waren wir beim Ausflug letztens)
„Drei junge Wissenschaftler im Feldversuch. Sie fühlen sich wie »Teilnehmer an einer Expedition ins Unbekannte«, als sie ins Industriedorf Weißenberg aufbrechen. Dort ist die Textilfabrik in Konkurs gegangen. Sie verbringen Zeit mit den Arbeitslosen, führen Gespräche, erheben Daten. Doch die Wissenschaft ist machtlos gegen die realen Umstände. So zerbrechen nach und nach Solidarität und Gemeinschaftsgefühl. Es ist der Versuch, gleichzeitig zu beobachten und zu helfen – und das in den unsicheren Zeiten der 1930er-Jahre. »Genauigkeit ist Wahrheit!« – Das Credo, das sich die Protagonisten selbst auferlegen, gilt nicht nur für den Film, sondern im weitesten Sinne auch für Karin Brandauers Werk.“ (Florian Widegger, Film Archiv Austria)
The action on Tuesday, November 12, 2024 from 3 pm in room 117:
– Katarina presents her Materials Research program to the class. – Kiki reports on her trip to London – Stefan shows us his latest paintings
In the early evening we watch this movie:
Einstweilen wird es Mittag. 1988, 93 minutes Director: Karin Brandauer
! Please note !
The film was a local TV production so it’s only available in German. And no English subtitles either – sorry …
Karin Brandauer’s film is based on the famous sociological study ‚The Unemployed of Marienthal‘.
(Marienthal, that’s where we were on our trip the other day)
“Three young scientists in a field experiment. They feel like “participants in an expedition into the unknown” when they set off for the industrial village of Weißenberg. The textile factory there has gone bankrupt. They spend time with the unemployed, talk to them and collect data. But science is powerless against the real circumstances. As a result, solidarity and a sense of community gradually break down. It is an attempt to observe and help at the same time – in the uncertain times of the 1930s. “Accuracy is truth!” – The credo that the protagonists impose on themselves applies not only to the film, but also to Karin Brandauer’s work in the broadest sense.” (Florian Widegger, Film Archive Austria)
Wir treffen uns um 12:45 Uhr vor dem Ausstellungsraum im Heiligenkreuzerhof.
Ab 15 Uhr freuen wir uns auf Malereien von Hicran und Léa in unserem Klassenraum 117 am Schillerplatz.
Am frühen Abend gehen wir ins Schauspielhaus, um uns den neuesten Film der Rojava Film Kommune anzusehen. „Gava Şitil Mezin Dibin [auf Deutsch in etwa: Wenn Setzlinge wachsen] zeigt einen Tag im Leben von Zelal und ihrem Vater, die aus dem Dorf in die Stadt kommen, um Joghurt zu verkaufen. Dabei begegnen sie Hemûd, einem Jungen, der auf der Suche nach seiner Familie ist. Geschichten aus einer Region im Aufbruch.“
Danach werden Ari Milan, Vertreter der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien in Österreich, und Mitglieder der Rojava Film Kommune über die aktuelle politische Situation in Rojava und die Rolle des Kinos sprechen.
Das Filmscreening mit Spendenaktion für die Rojava Film Kommune beginnt um 19 Uhr.
Kosten: 10€ (Einheitspreis) zu Gunsten der Rojava Film Kommune
Adresse: Schauspielhaus Wien, Porzellangasse 19, 1090 Wien
Bis dann!
Eure abstrakten Kollegen
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Good morning!
Below is the program for Abstract Action Tuesday on November 5:
At 13:00, co-curator Robert Müller will guide us through the exhibition “Swimming into the Dark” at Heiligenkreuzerhof.
We will meet at 12:45 pm in front of the exhibition space at Heiligenkreuzerhof.
From 3 pm we look forward to paintings by Hicran and Léa in our classroom 117 at Schillerplatz.
In the early evening we will go to the Schauspielhaus to watch the latest movie of the Rojava Film Commune.
“Gava Şitil Mezin Dibin [roughly translated: When seedlings grow] shows a day in the life of Zelal and her father, who come from the village to the city to sell yoghurt. They meet Hemûd, a boy who is looking for his family. Stories from a region on the move.”
Afterwards, Ari Milan, representative of the Democratic Self-Administration of North and East Syria in Austria, and members of the Rojava Film Commune will talk about the current political situation in Rojava and the role of cinema.
The film screening with fundraiser for the Rojava Film Commune starts at 7 pm.
Cost: 10€ (unit price) in favor of the Rojava Film Commune
Come join us on Saturday 19 October from 6 p.m. for the joint book launch and an exclusive one-night exhibition with Michaela Eichwald and Toni Schmale at WAF Galerie, Schadekgasse 6, in Vienna.
Rookie Books is an independent publishing house based in Basel, Switzerland. Founded in 2022, it specialises in children’s books created by visual artists. The two artists, both based in Vienna, have now each designed such a book.
The german painter Michaela Eichwald knows that playing by the book is only half the fun. Blithely ignoring traditional methods and conventions, she typically experiments with unexpected and often very unusual materials. Her Rookie Book masterfully illustrates means of challenging and transcending the constraints imposed on us from an early age.
Toni Schmale’s steel and concrete sculptures often evoke associations with machines and apparatuses that seem to have a purpose. However, her enigmatic creations only truly function through the viewer’s fertile imagination. The „buggies“ she crafted for Rookie Books from steel remnants found in her studio vividly demonstrate the creative and inventive potential of seemingly worthless found materials.
Ab sofort treffen wir uns regelmäßig dienstags im Raum 117 von 15 – 17 Uhr. Beginn: 8.10.24
15 – 17 Uhr soll die Kernzeit der Treffen unseres Fachbereichs sein: Praxis Wir versuchen Kriterien zu entwickeln, indem wir gemeinsam Arbeiten begutachten und besprechen. Wer etwas zeigen will: bitte spätestens am Montag melden.
Ab ca. 13 Uhr ist Zeit, gemeinsam Ausstellungen zu besuchen. Entweder die im Haus, oder draußen in Galerien und Museen. Auch gerne dahin, wo ihr selbst beteiligt seid.
Ab ca. 17 Uhr würden wir Filme zeigen, Spielfilme, Dokumentationen, oder auch Musik hören und vielleicht anschließend was trinken gehen. Chillout
Der Dienstag soll ein Tag der Begegnung und des offenen Austausches werden. Tiefer einlassen in die Sache. In das Bild als Gegenüber, in das Gegenüber als lebendiges Wesen.
Man muß nicht die ganze Zeit anwesend sein. Es ist uns aber wichtig, daß ihr euch gegenseitig mit eurer Arbeit, euren Interessen, eurem Wollen und Nicht-Wollen kennen, kritisieren und schätzen lernt. ___________________________
Am Freitag, 11. Oktober, findet unser fast jährlicher Ausflug nach Marienthal statt, der sich besonders an die Studierenden des 1. Semesters richtet. Einen Eindruck von unserem letzten Besuch 2022 findet Ihr hier auf unserem Klassen-Blog:https://abstraktekollegentreff.info/2022/03/23/abstrakt-ausflug-1/ Treffpunkt: 10:45 Uhr, Hauptbahnhof.
Montags von 16 – 17.30 Uhr findet Stephan Janitzkys freie Wahlveranstaltung statt:
Denken mit fremden Gehirnen.
Ein fortlaufender Lesekreis um Texte von und über Künstler*Innen & Kunst die der fortschreitenden Gegenwart habhaft werden wollen. Den ausgewählten Texten ist die Methode gemein, durch Selbstbeobachtung und Beobachtung der jeweils spezifischen Gegenwart, geschichtliche Zusammenhänge begreifen zu wollen und für die eigene Kunst produktiv zu machen. Zuvorderst soll es um eine konzentrierte Lektüre gehen und den informierten Austausch darüber. Übersetzung wird Thema sein, selbst etwas schreiben und zu besprechen, können wir zum Ende des Semesters angehen. Unterrichtssprache: den Texten entsprechend, meistens englisch, manchmal deutsch
Es handelt sich um eine Lesegruppe: die Teilnahme soll am besten aus intrinsischer Motivation erfolgen und steht allen Studierenden aller Fachbereiche offen.
Jeden zweiten Mittwoch im Monat veranstaltet Luisa Kasalicky DUOMATIQUE ab 14 Uhr im Raum 117:
Am Mittwoch, den 23.10.24 findet das erste Treffen aus der Reihe „Duomatique“ statt: Zwei Studierende suchen je ein Bild sowie eine mit diesem in Bezug stehende Zeichnung von einander aus, verfassen einen Text und werden uns diesbezüglich orientieren. Die Gesprächsrunden sind auf 10 Personen beschränkt um die Diskussion zu schärfen. Bei jedem Treffen ändert sich die Zusammensetzung der Teilnehmenden.
Am Donnerstag, 17.10.24 kommt Habima Fuchs, die uns eine Einführung in ihr Werk gibt und ihren aktuellen Film EQUINOX vorstellt. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Ringvorlesung im Anatomiesaal statt. Am 18.10. ist Habima Fuchs zu Gast in unserem Fachbereich.
Die Kung Fu und Qi Gong Trainingseinheiten erfolgen im Winter 24/25 wieder nach Absprache mit Thomas Winkler.
Hanam hat ein Ausflugsziel vorgeschlagen: Das Wasserleitungsmuseum. Super. Termin machen!
Dear members, friends and guests of the Department of Abstraction
We warmly welcome you to the winter semester 2024/25!
A particularly warm welcome to our newly admitted colleagues
Zahra Rezaei, Karolin Burkhardt, Julian Bajak, Titus Keller, Michail Angelos Tseiko, Bo Yeong Yun, Philine Ambra Mayr, Léa Silva De Sousa Vidal, Rita Sammer and Olivia Golde.
There will be also people from the teaching department
We have to move closer together!
NEW
ABSTRACTION ACTION TUESDAY
Starting next semester, we will meet regularly on Tuesdays in room 117 from 3 – 5 pm. Start: 8.10.24
3 – 5 p.m. will be the core time of our department’s meetings: Practice Here we try to develop criteria by examining and discussing work together. If you have something you would like to show, please let us know by Monday at the latest.
From around 1 p.m. there will be time to visit exhibitions together. Either in the house or outside in galleries and museums. You are also welcome to visit places where you are involved.
From around 5 p.m. we would show films, feature films, documentaries or listen to music and then maybe go for a drink. (Chill out)
Tuesday should be a day of encounters and open exchange. Get more deeply involved.
You don’t have to be present the whole time. But it is important that you get to know, criticize and appreciate each other’s work, interests, what you want and don’t want. ___________________________
On Friday, October 11, our almost annual excursion to Marienthal will take place, which is especially aimed at the students of the 1st semester. You can find an impression of our last visit in 2022 here on our class blog: https://abstraktekollegentreff.info/2022/03/23/abstrakt-ausflug-1/ Meeting point: 10:45 am, main station.
In the evening we will watch 13 Lakes at the Film Museum (Director: James Benning, USA 2004, 16mm, color, 133 min). More information here: https://www.filmmuseum.at/kinoprogramm/produktion?veranstaltungen_id=1722995417201
On Mondays from 4 – 5.30 pm Stephan Janitzky’s free elective event will take place:
Thinking with Other People’s Brains.
An ongoing reading circle around texts by and about artists & art that want to get hold of the advancing present. The selected texts share the method of wanting to understand historical contexts through self-observation and observation of the specific present and to make them productive for one’s own art. First and foremost, the focus will be on concentrated reading and informed exchange. Translation will be a topic; writing and discussing something ourselves can be tackled at the end of the semester. Language of instruction: according to the texts, mostly English, sometimes German
This is a reading group: participation should ideally be intrinsically motivated and is open to all students from all subject areas. …………………………………….
Every second Wednesday of the month Luisa Kasalicky organizes Duomatique from 2 pm in room 117:
The first meeting in the “Duomatique” series will take place on Wednesday, October 23:
Two students will each choose a picture and a drawing related to it from each other, write a text and will orient us in this regard. The discussion rounds are limited to 10 people in order to sharpen the discussion. The composition of the participants will change at each meeting.
On Thursday, 17.10.24 Habima Fuchs will give us an introduction to her visual work and present her current film EQUINOX. The event will take place as part of the lecture series in the Anatomiesaal. On 18.10. Habima Fuchs will be a guest in our department.
The Kung Fu and Qi Gong training sessions will again take place in winter 24/25 by arrangement with Thomas Winkler.
Hanam has suggested an excursion destination: the water pipe museum. Great.Make an appointmenthttps://www.wien.gv.at/wienwasser/bildung/wasserleitungsmuseum/
There are many other great excursion destinations in and around Vienna that we would all like to visit with you!
Everything else and more details when we meet again
See you next week!
Luisa Stephan Thomas Michaela
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First semesters: This Thursday, 3.10. from 9:30 a.m. the Welcome Meeting for all first-year students will take place in the meeting room at Schillerplatz.
Another reading recommendationOliver Koerner von Gusdorf in his column Die leere Welt on Monopol-online
Erste Reihe Obergeschoss auf der A23, kurz vor der Abfahrt auf die A4
Nach den unwetterbedingten Streckensperren der ÖBB konnte seit Mittwoch wieder ein einigermaßen ordentlicher Schienenverkehr im Wiener Speckgürtel aufgenommen werden. Die Linie REX 6 wird unabhängig davon baustellenbedingt zwischen Wien Hbf und Bruck/Leitha im Schienenersatzverkehr geführt. Eigentlich etwas unangenehm, da 27min längere Fahrtzeit für mich als gewohnt. Allerdings: bei der Heimfahrt ein Doppeldecker mit dem seltsamen Kennzeichen EU (Eisenstadt-Umgebung) 666 im Einsatz. Ich, nicht gleich realisiert, aber instinktiv auf eine vampire slayer-mäßige Schlägerei eingestellt. Keine Schlägerei, aber: erste Reihe im Obergeschoss. Daraus folgt: freie Sicht auf die Straße in gefühlt 5m Höhe. PURER LUXUS. Um den Bahnhof herum bleibt keine Schädeldecke von so einer Position aus unbeachtet, kein müder Gang übers Trottoir wirkt irgendwie begründet. Auf der Straße ist dann alles aus sicherer Distanz in Sicht und Bewegung, was ein Gefühl von Normalität und Gelassenheit verleiht: Der Taxler, der sich auf dem Weg zum Flughafen am Sack kratzt. Die junge Frau, die während der Fahrt mit einem hüpfenden Pyjamakind facetimet. Sogar der Trichter eines Betonmischers ist einmal so nah an der Scheibe dran, dass man die graue Rotze fast sehen kann. Dann ist da noch diese seltsam mächtige Leiberfahrung, die Verschmelzung mit dem Doppeldecker zu einer unverwundbaren, rasant sich fortbewegenden Einheit. Ab jetzt antworte ich auf die Frage, was ich denn eigentlich mit meinem Leben anfangen möchte: mein Ziel sei es, etwa 30t schwer zu sein. Das kann einem niemand nehmen. Bei diesem etwas beknackten Gedanken sitze ich in der ersten Reihe im Obergeschoss und höre Musik: „I‘m sitting in my chair, feeling very Pestalozzi.“ Absolut.
Als Goodie:
Oskar Negt und Alexander Kluge bei einer ihrer professionellen Lieblingsbeschäftigungen: Klugscheißen. Sehenswert.
Letzte Woche habe ich zum ersten Mal für fünf Tage auf einer Baustelle gearbeitet. Eine Lidl-Filiale wurde umgebaut. Gewohnt habe ich mit den anderen in einem Arbeiterstrichhotel im Industriegebiet irgendwo in Bayern. Viele der Arbeiter waren wie ein Fiebertraum. Einer war Brony, der andere hatte ein so starkes Problem mit Meth, dass er wohl das letzte Mal einen seiner Zähne an einem Milchbrötchen ausbiss und mit einem anderen wiederum hatte ich vor zwei Jahren eine unangenehme Begegnung. Er, ein barfuß vor mir stehender, besoffener, hängengebliebener Punk machte mir unangenehm oft Komplimente für mein Zahnfleisch (irgendeinen komischen Zahnfetisch hatte er) und betonte, dass er es „curvy“ mag (und meinte damit wohl mich). Ich kann nicht genug betonen, wie unangenehm das alles war. In den zwei Jahren ist er dann irgendwann zum Feminist geworden. „Ich bin das Awareness-Team für euch“, sagte er zu mir und einer anderen, die den Job ebenfalls zum ersten Mal machte. „Und wie ist das für dich als weiblich gelesene Person eigentlich…“ fuhr er fort. Auch den Filialleiter machte er auf sein frauenfeindliches Verhalten aufmerksam. Dieser erwiderte, dass er zwar Sexist, aber auf keinen Fall ein Frauenfeind sei. Rammstein lief im Hintergrund und ich fegte den Boden.
Später erzählte man mir, dass der besagte Punk nach der Arbeit öfters ins Bordell fährt, zum Kuscheln und Reden. Ich hoffe sie nehmen dafür mehr Geld.
Auf der Lidl-Toilette gab es eine besonders große Auswahl an den unterschiedlichsten Parfumdüften.
Juli
Ich bin im Zug nach Berlin. Die letzten beiden Wochen war ich zuerst in Paris Fritz besuchen und dann in einem kleinen Ort in der Steiermark. Insgesamt eine Woche war ich dort und ich hätte ohne Probleme noch weitere drei dort verbringen können. Es war schön; Lea hatte Geburtstag und jeden Tag kamen andere Leute vorbei, die ein paar Tage blieben und dann wieder fuhren. Auf der Alm hatte Maria die Liebesbriefe zwischen Virginia und Vita dabei, die wir uns eines Abends vorlasen. Maria hat gerade ziemlichen Liebeskummer und ich denke, es tröstet sie diesen verworrenen, schwülstigen Briefwechsel zu lesen. Mir war gar nicht bewusst, wie gemein Virginia war.
Ich habe leider nicht so viele Fotos dort gemacht. Natur ist so schön, dass sie schon wieder zu langweilig für ein Foto ist.
August
Insgesamt war ich einen Monat in Berlin. Nach drei Wochen hat mich Berlin angefangen zu nerven. Ich hatte konstant das Gefühl, dass ich die Stadt, sobald ich vor die Tür ging, abwehren musste, weil sie die Interaktion mit ihr, dir aufdringt. Am Anfang fand ich das ja noch ganz nett. Auch, dass dich viel mehr Leute auf der Straße anschauen – in Wien schauen dich die Leute nur an, wenn du extrem komisch aussiehst, oder etwas im Gesicht hast. Doch irgendwann war das zu viel. Auch die vielen Bettler:innen. Da muss man entweder ignorant, oder todtraurig werden. Einmal saßen wir in einer Bar und ein Typ kam mit einer Spielzeugpistole auf uns uns. „Hände Hoch, Geld her, sonst schieße ich“, sagte er, umringt von Bargeräuschen, während er seine Pistole auf uns richtete. Wenn ich in Berlin wohnen würde, würde ich nur noch weiße Bilder malen.
Wie Manuel war auch ich in der Neuen Nationalgalerie, fand aber die Ausstellung über Andy Warhol etwas langweilig. Die Betonung, dass er ein SCHWULER Mann war, hat mich genervt. Noch dazu, dass sein soziales Umfeld nicht wirklich thematisiert wurde. Was mich aber wirklich schockierte, waren die Bilder von Gerhard Richter, die im unteren Stock hängen Mir war das Ausmaß seiner Schrecklichkeit nicht bewusst. Ich bin wirklich immer noch geschockt davon. Selten habe ich so etwas furchtbares gesehen.
In der Modigliani-Ausstellung im Barberini Museum in Potsdam fand ich diese Malerei sehr schön. Interessant ist, dass seine ganzen Frauenabbildungen wunderschön, die Portraits von Männern dafür umso hässlicher sind.
September
Ich bin wieder in Wien.
Auf der Zugfahrt saßen in meinem Abteil zwei extrem unsympathische Menschen, die irgendwas mit der Kunst-und Kulturbranche zu tun hatten, sowohl vor als auch hinter mir. Ich empfand sie als so peinlich, dass ich schließlich mich selbst und alle anderen, die Kunst machen, einfach nur peinlich fand.
Lange hat das Gefühl anscheinend dann doch nicht angehalten. Hier ist ein Foto von der viennacontemporary after-drink-situation im Interconti. Ich hatte einen Long Island Ice Tea.