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Danke für die schönen Beiträge/ Sommerberichte hier im Blog.
(ALLE Fachbereichsmitglieder sind eingeladen)
Im kommenden Semester treffen wir uns immer dienstags.
Der ACTION DIENSTAG wird ungefähr so aussehen:
13 – 15 Ausstellungsbesuche
15 – 17 Klassenbesprechung im 117
17 – 19 Film im 117
+ mehr Ausflüge!
Start: 8.10.24
see you
M
Ein kleiner Sommerabriss
Juni
Letzte Woche habe ich zum ersten Mal für fünf Tage auf einer Baustelle gearbeitet. Eine Lidl-Filiale wurde umgebaut. Gewohnt habe ich mit den anderen in einem Arbeiterstrichhotel im Industriegebiet irgendwo in Bayern. Viele der Arbeiter waren wie ein Fiebertraum. Einer war Brony, der andere hatte ein so starkes Problem mit Meth, dass er wohl das letzte Mal einen seiner Zähne an einem Milchbrötchen ausbiss und mit einem anderen wiederum hatte ich vor zwei Jahren eine unangenehme Begegnung. Er, ein barfuß vor mir stehender, besoffener, hängengebliebener Punk machte mir unangenehm oft Komplimente für mein Zahnfleisch (irgendeinen komischen Zahnfetisch hatte er) und betonte, dass er es „curvy“ mag (und meinte damit wohl mich). Ich kann nicht genug betonen, wie unangenehm das alles war. In den zwei Jahren ist er dann irgendwann zum Feminist geworden. „Ich bin das Awareness-Team für euch“, sagte er zu mir und einer anderen, die den Job ebenfalls zum ersten Mal machte. „Und wie ist das für dich als weiblich gelesene Person eigentlich…“ fuhr er fort. Auch den Filialleiter machte er auf sein frauenfeindliches Verhalten aufmerksam. Dieser erwiderte, dass er zwar Sexist, aber auf keinen Fall ein Frauenfeind sei. Rammstein lief im Hintergrund und ich fegte den Boden.
Später erzählte man mir, dass der besagte Punk nach der Arbeit öfters ins Bordell fährt, zum Kuscheln und Reden. Ich hoffe sie nehmen dafür mehr Geld.
Auf der Lidl-Toilette gab es eine besonders große Auswahl an den unterschiedlichsten Parfumdüften.
Juli
Ich bin im Zug nach Berlin. Die letzten beiden Wochen war ich zuerst in Paris Fritz besuchen und dann in einem kleinen Ort in der Steiermark. Insgesamt eine Woche war ich dort und ich hätte ohne Probleme noch weitere drei dort verbringen können. Es war schön; Lea hatte Geburtstag und jeden Tag kamen andere Leute vorbei, die ein paar Tage blieben und dann wieder fuhren. Auf der Alm hatte Maria die Liebesbriefe zwischen Virginia und Vita dabei, die wir uns eines Abends vorlasen. Maria hat gerade ziemlichen Liebeskummer und ich denke, es tröstet sie diesen verworrenen, schwülstigen Briefwechsel zu lesen. Mir war gar nicht bewusst, wie gemein Virginia war.
Ich habe leider nicht so viele Fotos dort gemacht. Natur ist so schön, dass sie schon wieder zu langweilig für ein Foto ist.
August
Insgesamt war ich einen Monat in Berlin. Nach drei Wochen hat mich Berlin angefangen zu nerven. Ich hatte konstant das Gefühl, dass ich die Stadt, sobald ich vor die Tür ging, abwehren musste, weil sie die Interaktion mit ihr, dir aufdringt. Am Anfang fand ich das ja noch ganz nett. Auch, dass dich viel mehr Leute auf der Straße anschauen – in Wien schauen dich die Leute nur an, wenn du extrem komisch aussiehst, oder etwas im Gesicht hast. Doch irgendwann war das zu viel. Auch die vielen Bettler:innen. Da muss man entweder ignorant, oder todtraurig werden. Einmal saßen wir in einer Bar und ein Typ kam mit einer Spielzeugpistole auf uns uns. „Hände Hoch, Geld her, sonst schieße ich“, sagte er, umringt von Bargeräuschen, während er seine Pistole auf uns richtete. Wenn ich in Berlin wohnen würde, würde ich nur noch weiße Bilder malen.
Wie Manuel war auch ich in der Neuen Nationalgalerie, fand aber die Ausstellung über Andy Warhol etwas langweilig. Die Betonung, dass er ein SCHWULER Mann war, hat mich genervt. Noch dazu, dass sein soziales Umfeld nicht wirklich thematisiert wurde. Was mich aber wirklich schockierte, waren die Bilder von Gerhard Richter, die im unteren Stock hängen Mir war das Ausmaß seiner Schrecklichkeit nicht bewusst. Ich bin wirklich immer noch geschockt davon. Selten habe ich so etwas furchtbares gesehen.
In der Modigliani-Ausstellung im Barberini Museum in Potsdam fand ich diese Malerei sehr schön. Interessant ist, dass seine ganzen Frauenabbildungen wunderschön, die Portraits von Männern dafür umso hässlicher sind.
September
Ich bin wieder in Wien.
Auf der Zugfahrt saßen in meinem Abteil zwei extrem unsympathische Menschen, die irgendwas mit der Kunst-und Kulturbranche zu tun hatten, sowohl vor als auch hinter mir. Ich empfand sie als so peinlich, dass ich schließlich mich selbst und alle anderen, die Kunst machen, einfach nur peinlich fand.
Lange hat das Gefühl anscheinend dann doch nicht angehalten. Hier ist ein Foto von der viennacontemporary after-drink-situation im Interconti. Ich hatte einen Long Island Ice Tea.
Money is garbage
disclaimer : alle sind schuld, ich nicht.
Auch mal so‘n Beitrag schreiben.
Sommer geht zu Ende. Fühlt sich ein bisschen wie Coming-of-Age-Drama an, wie in so‘nem amerikanischen Skateboard-Movie, wo der Protagonist am Ende feststellt, dass es auch noch was anderes im Leben gibt, als mit seinen Kumpels rumzugammeln, so etwas wie Kakteen fotografieren oder Ornithologie zum Beispiel. So als wär da innerlich was passiert, das irgendwie wichtig, aber nicht unbedingt gut ist. Bisschen peinlich auch, so wie ungleichmäßiger Bartwuchs oder ohne Kohle schick ausgehen.
L. war zwei Wochen in Tirol, da war ich bisschen allein. Hatte auch grad nix zu tun. Bin viel rumgesessen und hab manchmal auch nachgedacht, aber ohne so‘n konkreten Anlass. Also einfach nur, was mir so in den Kopf geschossen ist. Hat aber alles keine Anwendung gehabt. Also alles wieder vergessen.
Bisschen unheimlich: das Gefühl, meinen eigenen Alltag nicht ordnen zu können, obwohl nix zu tun. Im Zweifelsfall in den Baumarkt. Den, der 18km und zwei Ortschaften weit entfernt ist. Werkzeug anschauen, bisschen stöbern. Vielleicht sind die LEDs im Discounter billiger als hier. Vielleicht fahre ich später nochmal rüber. Hab eine Feuerschale im Baumarkt gekauft. Fühlt sich gut an. Steht bis heute unbenutzt im Hof.
Jedenfalls geht‘s grad mit dem Malen gut. Go-To-Tätigkeit No. 2 nach Baumarkt, wenn ich nicht weiß, was ich tun soll und keine Verpflichtungen hab. Gibt so ein Gefühl von Geordnetsein. Ist unterschätzt, manchmal. Fühlt sich auch wieder besser an. Jetzt, nach so ein paar Jahren irgendwie den Eindruck, dass da was weitergeht. Ohne Manie und Fadesse. So: hier ist jetzt mein Eck und da mach ich mal.
Außerdem im Sommer:
Auf den meisten Veranstaltungen irgendwen auf einarmiger Umarmungsbasis gekannt (BussiBussi der Bürgerkinder). Ganz lustiges Umfeld. Bin altersmäßig zwischen den 20-jährigen Hamlets, die irgendwelche feschen Sätze à la bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin am Bier vorbeisäuseln und den 30-jährigen, die schon ein bisschen langweilig sind, aber nicht spießig sein wollen und einen auf Sid Vicious mit Nivea machen. Alles super. Am liebsten sind mir aber meistens die Auspuff-Leute, die einem erstmal ordentlich ins Gesicht rülpsen und sich dann den ganzen Abend entschuldigen. Machen sich immer gut auf einer Party.
Bin gespannt auf den neuen Jahrgang in der Klasse. Ist bestimmt ein netter Haufen.
Merke, dass ich schon länger nicht mehr in Wien wohne. Wenn ich in die Stadt reinfahre, denke ich neuerdings: Wien ist aber eine schöne Stadt. Habe ich in 25 Jahren nie gedacht. Ich glaube, kein Wiener denkt sich jemals: Wien ist aber eine schöne Stadt. Da gibt‘s Wichtigeres.
PS.
Gestern beim Knoblauchzehenstecken im Garten eine Eidechse gesehen, die L. vor den Katzen (ich weiß nicht mehr, ob Kater Toni oder Katze Mala) gerettet hatte. Beim Angriff durch Katze den Schwanz abgeworfen, der ist aber wieder am Nachwachsen. Echse und ich sind so eine Stunde nebeneinander im Garten gesessen. Hat sich gut angefühlt. Ich nenne eigentlich alle Tiere, die ich nur temporär kenne, unabhängig ihres Geschlechts Bruno, Giacomo, Ignaz, Specki, Freundchen oder kleiner Mann, so wie in: na, kleiner Mann, wie geht‘s? Ausnahme war ein Spatz namens Tschirpo, den L. vor einigen Monaten wiedermal vor den Katzen rettete. Wir hatten Tschirpo nach dem Angriff liebevoll aufgepäppelt und wieder flugtüchtig gemacht. Aber Toni hat ihn gleich nach dem Start wieder aus der Luft gefangen und erledigt.
Katzen sind coole Killer.
Habima Fuchs
We are looking forward to the artist Habima Fuchs, who will show us her new film EQUINOX. The screening together with an introduction by the artist is expected to take place on October 17 at the Academy of Fine Arts, Vienna.
About Habima Fuchs and her movie:
EQUINOX
A screening of Habima Fuchs art film EQUINOX, 2022, (23 min.) with an introduction about the creative process.
„The nature of the universe, which holds
the center still and moves all else around it,
begins here as if from its turning-post.“
(Dante Alighieri, Canto 27, 106-117)
Habima Fuchs evocative art film captures the world at the symbolic equinox. It is set in Slunakov near Olomouc, Czech Republic and was produced as part of the Home and World programme of the Olomouc Museum of Art – Central European Forum. (https://muo.cz)
Habima Fuchs is a Czech visual artist whose work has long been revising the established mechanisms and traditional existential, philosophical or metaphysical turns that we rely on to understand the world we live in. The symbols and motifs she reflects and materializes in this process come from different cultures and periods, from the framework of Christian iconography and oriental religious contexts. The result is an exceptionally compelling imagery, seductive and subversive, but also deeply self-critical. (Barbora Kundračíková, curator of MUO and producer)
Habima Fuchs, born in Ostrov (former Czechoslovakia), spent many years in Berlin, where she devoted herself to artistic practice, and then made numerous walking trips through Europe to study its culture and mythology from an immediate experience. All of this is reflected in her work, whose means of expression are usually drawing and ceramics, occasionally also other artistic media in the form of a spatial installation. She currently lives in the Czech Republic and, among other things, studies the theory of the five elements and bioinformation technology. Her work has been exhibited in solo exhibition f.e. in Fait Gallery in Brno (Matter in Eternity, 2024), in SVIT gallery in Prague (The Great Ocean Continuously Creating, 2019), in Kunstverein Munich (297, 2018), in Warhus Rittershaus, Cologne (Eyes horizontal, nose vertical / foster the eminent dance, 2016) or ZACHETA in Warsaw (Salt Sea Water Absorbed by Clouds Turns Sweet, 2016) and in Open Art Project in Otwock (AGAVE, Finding the Source, 2015). She participated in groupe exhibitions in PLATO, Ostrava in 2022, Rudolfinum, Prague and Biennale Gherdëina 7 in Ortissei in 2020, Arthena Foundation in Duesseldorf, Galerie Guido W. Baudach, Berlin in 2017 among others. She completed residencies in Germany, Slovakia, Italy, Switzerland or Norway. She works with SVIT gallery in Prague.
Equinox
Habima Fuchs is the type of artist who draws heavily on lived cultural history and philosophy in her work. She draws on her rich experience of both European and Eastern traditions. She combines the principles of both and by synthesising them she arrives at a new conception of the world, which she also envelops in a similarly complex mythology. The metaphorical way of thinking is reflected in the meaning as well as in its formal or visual side – her way of communication is distinctly aesthetic, each element fulfils its role in the story, yet it can hardly be reduced to a simple interplay of elements. The image of the world she creates is therefore truly finit, complete, almost autonomous, while at the same time not lacking the fragility that every creative gesture possesses. Habima´s work is always personally experienced, it is not an “empty game of art”, but at the same time it offers enough space for our own imagination. What she aims at, therefore, is not simple timelessness, she does not offer us an escape from the present situation, on the contrary – if we give it a chance, we will find that her work reveals and re-shapes the so-called present in a very sophisticated way.
The project, prepared by Habima Fuchs for Olomouc and created within the framework of the Year of Home and Abroad, is entitled Equinox. It is a combination of a performance, which took place in the Ecological Centre Sluňákov, and a poetic film, set, among other things, in the spaces of the local Arch – the Garden of Paradise by František Skála and the Solar Mountain by Miloš Šejn. The story of the return to the equilibrium “world of the centre”, the world before the flood, Dantes Paradise, is depicted in eleven images, the central role of which is played by the burying of the snake, the planting of the apple tree and the cutting of the hair. The individual images are conceived as self-contained wholes, encompassing a range of familiar objects and gestures, elevated to the level of transcendence within the ritual. The burning candle, the apple, the grazing cattle, and the “marginal” – but in fact monumental – dramatic entries of family members whose kinship is subtly indicated by common features, contribute to a strongly metaphorical vision of the world. Watching the film, we go through a process of personal purification with the author, while being reminded of our own absolute belonging to the community.
Tourists go home
Habe diese Inschrift auf Steinen und Zäunen entlang Wanderwegen im UNESCO Naturpark Puez Geisler gefunden.
Im Zusammenhang mit der 9. Biennale Gherdëina und dem Thema “Parlamënt dla muntaioles”, beruhend auf den Fanessagen in welchen von der verheißenen Zeit die Rede ist in der das Volk der Fanes wieder aus seinen unterirdischen Verstecken empor treten kann und die Virilität der Naturfeindlichen Herrscher, der Vergangenheit angehören.
Sind diese und andere Anzeichen bereits die Wende in Richtung verheißene Zeit.
Als das Grödnertal noch in Armut lebte meinte ein weiser Pfarrer,der von der damaligen und heutigen Bevölkerung immer noch hoch geschätzt ist (zahlreiche Kerzen zieren sein Grab immer noch), dass die Bevölkerung eines Tages enorm reich wird bevor sie wieder allmählich alles verlieren werden.
Aus taoistischer Sicht der normale Weg des natürlichen Wandels. Wie man aber jetzt die Kunst ins Spiel zieht sei fraglich. Als hässlich und schändlich bezeichnet, ja sogar Rufschädigend das Wort Gröden verachtend, wurde die Biennale Gherdëina wieder ein mal von Passanten beschimpft. Ich selbst finde es immer noch erstaunlich wie leicht man noch Aufsehen und Furore hervorbringen kann wenn man sich am Land bewegt. Es scheint als wäre man hier noch nicht so abgestumpft wie in einer größeren Stadt.
Besonders einige Werke entlang des Dorfzentrums St. Ulrich sollten auch gerade in der Hochsaison, das ohnehin schon kitschige Dorfzentrum zudem aufbrezeln und die flanierenden Touristen aus Allerwelt bespaßen. Am besten handgeschnitzte Unikate in stattlicher Größe. Kritik wird hier als Unangemessen wahrgenommen. Ich glaube, dass gerade dies eine perfekte Bühne sei um mit Kunst im hier und jetzt zu arbeiten. Im querschnitt der Masse agierend zwischen einem Touch von Bellepoque und doch nicht in jenes abzurutschen.
Im allgemeinen eine supper Initiative um im Grödnertal auch mal etwas anderes als Wand und Gartenschmuck zu presentieren, ausbaufähig ist es jedoch immer. Ein großes Potential steckt weiterhin im Konzept Biennale Gherdëina.
Was es mit den einzelnen Werken auf sich hat sei dahingestellt. Auch schwer sie im allgemeinen zu sehen ohne die Lokalisierung im Hinterkopf zu haben.
Noch zu sehen bis 1. September 2024 in Gröden! Teils frei zugänglich teils mit einem 10€ Tickethttps://www.biennalegherdeina.it/de/
Neue Folge „Die sogenannte Gegenwart“.
Zu Gast: Diedrich Diederichsen.
Buchempfehlung:
Darin der Autor eine Revision des “Falles Hölderlin” einleitet, die zu dem Schluß führt, dass der Dichter die zweite Hälfte seines Lebens keineswegs in geistiger Umnachtung zugebracht hat und auch nicht geisteskrank gewesen ist. Vielmehr zeigt es sich, dass H. an den banalen Widrigkeiten in der realen Welt scheiterte und sich unverstanden von ihr zurückzog. Mit tollen Textanalysen.
Der Berührbare. Zum Tod von Wolfgang Rihm.
Von Jan Brachmann
Der Komponist Wolfgang Rihm ist gestorben. Mit ihm verlieren wir einen der ausdrucksstärksten Musiker und sprachmächtigsten Denker unserer Zeit.
Jäh wie ein Schrei, ein Blutsturz, ein Kuss brach die Musik von Wolfgang Rihm um 1970 in unsere Welt. Mit einer Vehemenz, die damals verstörte, sagte der noch nicht einmal Zwanzigjährige in seiner Kunst „Ich“. Als auf dem Höhepunkt der seriellen Musik das Subjekt fast völlig durch das System erstickt worden war, als Tonhöhen, Tondauern, Artikulationen und Klangfarben reihentechnischen Regeln zu gehorchen hatten, setzte ein junger Mann auf Körper, Ausdruck, Wucht wie Innigkeit gleichermaßen.
Und mit der Verstörung – Wie kann der das wagen?! – ging sofort die Bewunderung einher: Wie kommt er dazu, so frei und zugleich so souverän zu sein, so unbefangen und zugleich so kenntnisreich, so kraftvoll und dennoch von keinem Ressentiment, keiner Ideologie angestachelt?
Mit den Erfahrungen komponieren, nicht gegen sie
Schon als Elfjähriger hatte Wolfgang Michael Rihm, am 13. März 1952 in Karlsruhe geboren, zu komponieren begonnen. Seine Eltern standen seiner besonderen Begabung, wie er selbst es formulierte, „unaggressiv“ gegenüber. Er durfte ungehindert tun, wonach es ihn drängte, sich nehmen, wonach seine Seele hungerte und was sein Können voranbrachte. Noch sein zweites Streichquartett schrieb der Achtzehnjährige auf dem Esstisch der Eltern. Offenbar fand er in Eugen Werner Velte, dessen Karlsruher Professur für Komposition er 1985 übernehmen sollte, einen Lehrer, der es verstand, der Neugier durch Handwerk Richtung und Nahrung zu geben.
Rihm studierte bei Klaus Huber und Humphrey Searle, aber auch noch bei Karlheinz Stockhausen, einem der exponierten Machtmänner der Neuen Musik jener Zeit. Und er ging, obwohl er künstlerisch so anders war, nicht auf offene Konfrontation zu ihnen. Rihm war kein Polemiker, keiner, der ästhetische Vergeltungsschläge führte. Eine seiner Maximen lautete, man müsse mit den gemachten Erfahrungen komponieren, nicht gegen sie.
Doch die Attacken gegen Rihm folgten schnell. Sein drittes Streichquartett „Im Innersten“ wurde 1977 in Royan uraufgeführt. Aus schartenschlagender Gewalt stürzt die Musik unvermutet in eine verletzliche, tonal gefasste Innigkeit, die Erinnerungen an die Musik um 1900 nachzittern lässt. „Ich musste mir anhören, das sei ‚faschistische Musik’. Wahnsinn!“, erzählte Rihm der F.A.Z. im Jahr 2022. „Das war natürlich als Einschüchterung beabsichtigt, hat aber nicht gewirkt. Man wollte mich damit sofort mundtot machen. Wenn man als junger deutscher Komponist im Ausland auftrat und nicht eine in den entsprechenden Bereichen für gut befundene Ästhetik artikulierte, wurde man sofort mit dem Nazivergleich konfrontiert. Ich habe es in England erlebt, dass die BBC im Radio einen Bericht über die Aufführung meines Stücks ‚Dis-Kontur’ sendete. In dem Stück gibt es bestimmte Partien mit relativ harscher Akzent-Rhythmik. Sie wurden im Bericht überlagert vom Geräusch marschierender Stiefeltritte. Nahegelegt werden sollte damit: ‚Jetzt marschieren die Deutschen wieder.’“
Rihm, dessen beeindruckende Körpergröße ihm in Auseinandersetzungen eine natürliche Autorität verlieh, besaß neben seiner musikalischen Begabung auch eine sprachliche Artikulationsfähigkeit, die durch ein Musikwissenschaftsstudium bei Hans Heinrich Eggebrecht mit Fachwissen geschult sowie durch lebendigen Umgang mit Dichtung und Philosophie belebt worden war. Sie ließ viele Kollegen vor Neid erblassen.
Als Sechsundzwanzigjähriger schrieb er in seinem Essay „Ins eigene Fleisch…“ gegen die Verbotsdogmen und den ästhetischen Säuberungsterror im Sektenbetrieb der Neuen Musik an: „Um uns herum werden Attrappenprobleme aufgestellt. Profilneurotische Feldzüge werden geführt gegen Moden, Vergreisung, Tonalität, Nichttonalität, Verschleiß, das ungenaue Unisono, die Gefahr der Gruppenbildung … – alles Scheingefechte, Ersatzgefühle Gängelkram! Nur ein ungebundener Geist, ein unbändiger, ist Komponist“.
Die Siebziger- und teils auch Achtzigerjahre waren bei Rihm geprägt durch die Suche nach einer neuen Unmittelbarkeit. Seine Kammeroper „Jakob Lenz“ stellte 1977 das Eintauchen in den Zustand der Zerrissenheit einer frühromantischen Dichterseele an die Stelle streng linearer Erzählung. In späteren Opern wie „Die Eroberung von Mexiko“ oder „Dionysos“ ist das Erzählen völlig aufgegeben zugunsten eines Kreuz- und Querschießens von Bezügen zwischen bedeutungsgeladenem Material. Vor allem, das hört man auch in seinem Klaviertrio „Fremde Szene“, einer Hommage an Robert Schumann, wollte Rihm seine Hörer packen, sie nicht kaltlassen, von Gewalt und Zärtlichkeit erzählen, von Verführung und Irresein, von Verletzungen, die aus zu großer Nähe entstehen können. „Ich will berühren und berührt werden“, war ein weiterer, bezeichnender Rihm-Satz.
Doch bald dachte Rihm darüber nach, dass jedes Subjekt sich durch Sprache, Geschichte und Kultur immer schon vermittelt äußere. Noch im Jahr 2023 wies er im Gespräch mit dem Philosophen Peter Trawny den zum Kitsch verkommenen Begriff der „Stille“, gar der „Ur-Stille“, zurück, weil Musik und Stille „zu sehr ein Kulturphänomen“ und in Kontexte der Erinnerung wie der Erwartung eingebunden seien.
So findet sich bei Rihm die rituelle Gewaltsamkeit seines Balletts „Tutuguri“ neben der historisch reflektierten Passion „Deus passus“ wie das Rohe neben dem Gekochten. Das Buch „Von realer Gegenwart. Hat unser Sprechen Inhalt?“ von George Steiner wurde mit seinem Erscheinen ein Leitfaden für Rihm, wie er 2004 in einem Podiumsgespräch mit Steiner in Berlin bekannte. Was Rihm wie Steiner gleichermaßen faszinierten, waren jene Schichten im Menschen, die auf dessen vorsprachliche Existenz sowie dessen tierische Vorgeschichte verwiesen. Auch das Wort, so Rihm damals, trage Schichten in sich, die älter seien als es selbst, Schichten, die auf die vormenschliche Zeit des Lebens verwiesen. Diese Schichten erkunde die Musik und bringe sie in Verlaufsformen.
Die Spannung von unmittelbarer, realer Gegenwart des musikalischen Sprechens und dessen unentrinnbarem Gewordensein durch Kultur wie Geschichte durchzieht auch Rihms Musik.
Sein Tod reißt einen Krater in unsere Welt
Zugleich faszinierten ihn die „Verlaufsformen“ mehr und mehr: das Momenthafte des Werks und die Überlegungen, dessen Fest-Stellung in der definitiven Gestalt zu entkommen. Der Orchesterzyklus „Jagden und Formen“, der als „work in progress“ zwischen 1995 und 2008 wuchs und sich wandelte, ist so ein klingender Essay über Zeit und Gestalt. „Vers une symphonie fleuve“ dachte zuvor schon über musikalischen Gestaltwandel im Fluss, über mähliche Zustandsveränderungen und die Eingliederung des Impulsiven in langfristige Verlaufskurven nach.
Rihm hatte ein unglaubliches Hör-Repertoire. Mozarts Klavierkonzerte waren ihm ein Evangelium; an Puccini fiel ihm auf, dass er manches vorweggenommen hatte, was Mahler gutgeschrieben wurde; an Rachmaninow bewunderte er die aufrichtige Empfindung bei gleichzeitiger Fähigkeit, aus kleinen Molekülen riesige Formen bauen zu können. Dass Rihm ein besonders inniges Verhältnis zur Musik von Johannes Brahms hegte, war kein Geheimnis. Immer wieder machte er auf Stellen aufmerksam – in der Instrumentation wie der Harmonik –, wo Brahms das Ungeheuerliche ganz leise ausspricht. Die stillen Stücke „Das Lesen der Schrift“, am Rande der Hörbarkeit, sind Rihms Interpolationen zu Brahms’ „Deutschem Requiem“; sein Liederzyklus „Das Rot“ nach Karoline von Günderrode sucht Resonanzen zu Brahms’ „Vier ernsten Gesängen“.
Ein Glück, das zur Trauer animiert
Fortschritt? Vielleicht bei Frisuren von Pop-Stars
„Ich bin nicht der Polizist meiner Musik“
Das Lied hat Rihm durch sein ganzes Leben getragen, auch durch die schwere Krebserkrankung der letzten zwei Jahrzehnte. Noch 2022 waren die „Terzinen an den Tod“ nach Albert Vigoleis Thelen und danach noch der Zyklus „Überwundene Zeit“ nach Uwe Grüning entstanden. In der Nacht zum 27. Juli ist Wolfgang Rihm im Alter von 72 Jahren in Ettlingen gestorben. Sein Tod reißt einen Krater in unsere Welt. Die Musik verliert mit ihm an Sprachmacht, die Kunst einen Fürsprecher.
Quelle: F.A.Z.
Tagebucheintrag Berlin
[Erinnerung: der Abstrakte Kollegen Treff ist offen für Beiträge aller Mitglieder des Fachbereichs.]
Von Manuel Bauer
Feierabend! Das war das erste was ich angekommen in Berlin auf einem der Flixbusse lesen konnte, und die rot weiß gestreifte Spitze des Fernsehturms.
Ohne Internet seinen Weg in die Stadt zu finden ist heutzutage fast schon ein kleines Abenteuer für sich aber zum Glück hatte ich einige Bildschirmaufnahmen von einer Mappe auf meinem Handy. Nach ein paarmal umsteigen fand ich dann endlich zu meiner Herberge und füllte meinen Wasserhaushalt wieder auf. Die Synagoge gleich an der Oranienburgerstraße war leider immer noch versperrt als ich vorbeilief. Wie beim Letzten Abendmahl von Leonardo da Vinci sitzt man nebeneinander in der U8.
Die U-Bahnstationen sind teilweise so niedrig, dass ein 2m Mensch fast schon den Kopf einziehen muss. Ich sehe fast nur unter 35 Jährige. Auf dem Weg ins Kitkat läuft ein verhungerter Fuchs über die Straße im Hintergrund sieht man ein Späti mit blinkenden Lichtern.
Trotz eines Sonntagabend konnte man hier gut feiern mit Internationalen Gästen oder weniger sexy gesagt, Touristen so wie ich es war. T-shirt Verbot und Handyverbot lockern die Stimmung. Das Motto hier scheint viel Haut und noch mehr Respekt zu sein. Bemerkenswert war keinerlei Sex am Klo zu sehen, denn das ist hier überall möglich. Meine Armbanduhr war völlig nutzlos, da die Batterie alle war, und als ich wieder aufbrach schien bereits die Sonne und man sah die harte Seite Berlins mit Obdachlosen und Spendengängern links und rechts, die ihr Glück bei den Partygängern versuchen. Ein womöglich aus dem spanischen Raum stammender Mann fragt mich nach Nummern und erst nach einigen Minuten verstand ich, dass er sein Handy suchte, welches ich leider nicht erreichen konnte.
Im Bett angelangt befreite ich mich von den Kettenriemen welche ich mir salopp beim Obi zusammengebastelt habe und als Outfit trug.
Nach 3 Stunden Schlaf ging es wieder los in den Tag, den ich ja bereits begonnen hatte. Ohne Plan gabs dann erstmal eine Stärkung bein Rewe nebenan. Hier kann man sich mit einer scan Pistole die gewünschten Artikel schon während dem einkaufen scannen und dann am Ende gleich alles bezahlen. Lasertag im Supermarkt.
Planlos schländer ich durch die Straßen und steige in eine S-bahn nach Spandau ein. In Spandau, welches ich nur aus dem Fernseher kannte seh ich gleich einen Streit zwischen zwei Männer und einigen Jugendlichen, die plötzlich wie auf pfiff anfingen zu sprinten als die Polizei einfuhr.
In den Arcaden Spandau kaufte ich mir dann eine Flasche Wasser und die Dame vor mir ließ den zu bemittleidenden Herrn an der Kassa 10 Cent Trinkgeld in 2 und 1 Cent-Münzen, weil sie Kleingeld nicht leiden kann. Er konnte aber kein Trinkgeld annehmen und schrie dies der Dame hinterher, welche aber sich nicht beeindrucken ließ und ihren Tätigkeiten nachging.
Ich machte mich dann auf den Weg nach Neukölln. In der U-Bahn nickte ich ein und wachte gerade noch rechtzeitig bei der Haltestelle Rathaus Neukölln auf. Autos, orientalische Restaurants, Bäckereien und Discounter so weit das Auge reicht. Gefühlt sind überall Preisschilden in Angebotsmarken zu sehen.
Mit der Ringbahn ging es zum ehemaligen Flughafen Tempelhof. Ich entschied mich eine Bahn entlangzulaufen bis an das andere Ende des Feldes. Schlappe 2 km später schau ich zurück und seh den Boden flackern unter der Mittagshitze. Doch sogar hier hört man noch den Verkehr der Stadt, begegnet aber ausschließlich Spaziergängern mit Hunden, Joggern, Fahrradfahrern und Inlineskatern. Ich schaute noch beim Café Engels vorbei, welches ein guter Freund von mir empfohlen hat und finde dass die Berliner so auf ersten Blick schon als Menschenfreunde durchgehen.
Beim Kottbusser Tor gab es dann einen Döner mit Allem und scharf.
Im Kultureinkaufshaus kann man nicht nur super Bücher stöbern sondern auch ungestört verweilen und auch das Internet verwenden welches ich nutzte um Ausschau nach einem Badesee zu machen. Dies getan ging’s wieder los in Richtung Krumme Lanke. Ich fühlte mich wirklich wie ein Flummi welches kreuz und quer durch Berlin geworfen wird. Nach den Umstieg in die U3 nickte ich einige male ein und schlief letztendlich bis fast zur Endstation. Der Humor der Berliner ist bei der Namensgebung, dieses Badesees welcher leicht gekrümmt ist, erkennbar. Ich dreh eine Runde um den See und entscheide mich für einen Sprung ins Kühle Nass, welches eine der Besten Entscheidungen war. Im Wasser begegnete ich zwar keinen Schlangen oder Fischen, sehr wohl aber Berlinern, die mit Kind und Kegel das selbe vorhatten wie ich.
Mein Kreislauf war endlich wieder in Schwung und beim zurück spazieren seh ich all die kleinen Häuschen wohlhabender Familien links und rechts. Verständlich, denn hier im Grünen lässt sich’s im Sommer besonders gut leben.
In der U3 zurück setzen sich zwei junge vermutlich Studenten vis a vis von mir hin, die ein sehr individuellen Style pflegten und Kinderfotos als Ohrringe trugen dazu eine Snoopy Krawatte und ein Mr. Bean Anzug, darunter ein orange kariertest Hemd. Auf der linken Seite ein Mann mit Glitzersteinen und Perlen im Gesicht seine Sitznachbarin ebenfalls mit Glitzer im Gesicht und stark gegeeltem Ponny. An meiner rechten war ein mann der den einen mit Kinderfotoohrringen beschimpfte und wirr herum gestikulierte (wahrscheinlich unter Einfluss irgendwelcher Substanzen), an der linken ein älterer drähtiger Mann mit zerrissenen Hosen und offener Haut. Ein beißender Geruch machte sich breit. Weder Abscheu noch Mitleid war in den Gesichtern der Anderen sichtbar. Es schien einfach schlichtweg normal zu sein. Es sind solche die Momente an denen ich mich einfach frage ob es so etwas wie Glück und Pech gibt und was wen, wie erreicht, beziehungsweise wieso mancheseine/r in solch miserablen Situationen geriet/lebt und andere nicht.
Vollgepumpt mit positiven und negativen Eindrücken dieser bunten Stadt schloss ich diesmal noch vor Mitternacht die Augen.
Pünktlich um 10 Uhr stand ich am nächsten Tag vor der Neuen Nationalgalerie, die ich mir nochmals anschauen wollte. Die Ausstellung zu Andy Warhol “Velvet, Rage and Beauty” fand ich gut, da die vermeintlich sexuell lesbaren Motive, desto mehr man sah immer weniger bzw. überhaupt nicht mehr sexuell wurden. Es war als würde man zu einer bestimmten Asexualität getrieben worden. Ich bekam den Eindruck einen sehr persönlichen Teil seiner Arbeit sehen zu können. Ebenfalls interessant war die entstandene Atmosphäre von Besuchern und Werken wo man klar sagen konnte, dass es mach einer/m teils peinlich wurde länger auf ein bestimmtes Bild zu sehen, vor allem bei jungen Schülern merkte ich die Angst immer noch von Klassenkollegen diskriminiert zu werden wenn man sich jetzt als heterosexueller Mann vermeintlich homosexuelle Inhalte ansieht. Es gab auch ein Video welches den damaligen Zeitgeist in New York aber auch weltweit gut beschrieb. Die Aufbruchsstimmung und dann der große Fall in das Loch, bekannt als die Aids Krise. Technisch fand ich die Handzeichnungen super angenehm anzusehen, da die Strichsicherheit dich beinahe durchs Bild leitet. Schade fand ich allerdings, dass die kleinen Selbstporträtfotos von außen nur sehr schwer zu erkennen sind und man nicht zahlenden Gästen so auch nur ein überschaubares Angebot liefert. Aber immerhin kann man einen Blick ins Museum werfen auch wenn man nicht zahlt was ich schon mal super finde.
Nach meinen Besuch in der Neuen Nationalgalerie wollte ich noch Michaelas Empfehlung nachgehen und auf den Kirchturm der Matthäuskirche hoch, welcher aber genau an diesem Tag gesperrt war.
Am Brandenburger Tor kam man leider nicht vorbei weil da ein riesiger Bildschirm den Durchgang versperrt und Absperrgitter den Zugang verweigern an diesem geschichtsträchtigen Ort. Anscheinend vereint Fußball, so das Werbeplakat.
Kurz aber intensiv war dieser Berlin-Aufenthalt aber gelohnt hat er sich alle mal!