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Alienation Praxis

Freie Bahn ins Glück

Schöne Brache zum arbeiten. Da steht auch ein verrostetes grid von Anno Pief. Auf der anderen Seite: EDEKA-Markt Zurheide. unerreichbar.

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Die Neue Galerie Gladbeck im nördlichen Ruhrgebiet besteht aus dem ehemaligen Lesesaal der Stadtbücherei aus den 50er Jahren, ( bunte Scheiben) und einem fensterlosen Neubau mit Sichtbetonwänden, angefügt 2009.
Nebenan Rathaus, Spielplatz, Hallenbad. Soziologisch tough.
(nicht auf dem Bild)

Arbeitssituation
Heute ist Mittwoch. Bin noch nicht fertig. Eröffnung Freitag. Zwischendurch große Krise, dann gings, dann wieder nicht. Aber schon was geschafft und sehr gelacht.

Falls jemand nach „Freie Bahn ins Glück“ fragt: man braucht einen Hintergrund, vor dem man arbeiten kann. Als Animation.
Die ursprünglichen Titelideen haben mich zu stark runtergezogen.

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Grüße nach Wien

Animationspraxis Gnadeneichwald

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6.10.23
Unverlangt eingesandte Rezension von Michaela Moravcikova.
Herzlichen Dank!

Hinweis: bezieht sich auf fehlerhafte Titelliste.
Titel der beiden roten Bilder sind vertauscht.
Vorsokratiker = blaue Figur.


„The Happy Thoughts on ‚Freie Bahn ins Glück‘ ”
by Michaela Moravčíková




2 Antworten auf „Freie Bahn ins Glück“

Abstrakte Malerei : Leim, Lack, Säure und Sägemehl

Von Peter Geimer
-Aktualisiert am 20.08.2023-11:48

Atsuko Tanaka (1932 bis 2005), Paint (1962; Öl auf Leinwand) Bild: Musées de Marseille/Almodovar-V

Eine beeindruckende Ausstellung der Fondation van Gogh in Arles führt vor, wie Künstlerinnen die Geschichte der abstrakten Malerei mitgestaltet haben.

Abstrakte Malerei galt lange Zeit als Zumutung. Diese Auffassung hielt sich bis in die Witzseiten der Illustrierten hinein, wo mit Kritzeleien bedeckte Leinwände als Inbegriff für die Unverständlichkeit moderner Kunst galten. Gemälde, auf denen „nichts“ zu erkennen war, konnten nur Dilettantismus sein. Kritik an der Abstraktion kam aber auch von akademischer Seite.

In seiner Streitschrift „Verlust der Mitte“ (1949) kritisierte der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr die Abstraktion als Zeichen geistigen Verfalls und das Ende einer verbindlichen Weltordnung. Zehn Jahre später betonte der Anthropologe Arnold Gehlen die „Kommentarbedürftigkeit“ der gegenstandslosen Kunst, die ohne Zusatzerklärungen unverständlich bleibe – als sei die Kunst der Jahrhunderte zuvor aus sich selbst heraus verständlich gewesen.

Diese Debatten liegen lange zurück. Vorbei sind aber auch die Zeiten, in denen abstrakte Malerei im Gegenteil als Vollendung und Endziel der abendländischen Kunstgeschichte gefeiert wurde. Der Mythos der Avantgarden, wonach erst die Loslösung vom Gegenstand die Kunst zur Reinheit ihrer Ausdrucksformen geführt habe, hielt sich in den Schriften des amerikanischen Kunstkritikers Clement Greenberg bis in die Sechzigerjahre.

Erst in der flachen, jegliche Raumillusion negierenden Leinwand sah Greenberg die Malerei zu sich selbst gekommen – als sei der traditionelle Weltbezug der Künste nur eine unzulässige Kumpanei mit den Niederungen der Wirklichkeit gewesen.

Wook-kyung Choi (1940 bis 1985), Untitled (1960; Acryl auf Leinwand) : Bild: Wook-kyung Choi

Dass im Feld der Abstraktion auch nach dem Abflauen dieser Debatten noch immer Entdeckungen zu machen sind, zeigt jetzt eine beeindruckende Ausstellung in der Fondation van Gogh in Arles. Sie versammelt fünfundachtzig Werke aus dem Zeitraum von 1940 bis 1970, die dem Umfeld des abstrakten Expressionismus entstammen, Werke, die unter Verzicht auf geometrische Ordnung ganz auf die Expressivität gestischer Malerei setzen.

Der Besuch der Ausstellung ist wie der Blick in ein Paralleluniversum, in dem die bekannte Geschichte des abstrakten Expressionismus sich noch ein zweites Mal ereignet hat – in vertrauten Spielarten, mit bekannten Formen, aber unter kompletter Auswechslung des Personals: kein Werk von Jackson Pollock, Willem de Kooning oder Robert Motherwell, stattdessen die Namen Elaine de Kooning, Judith Godwin oder Deborah Remington.

Dass die Geschichte der Abstraktion durch die Kunst von Frauen maßgeblich mitbestimmt wurde, ist nicht neu. Es gab große Retrospektiven, zuletzt zu Helen Frankenthaler im Essener Folkwang-Museum, zu Joan Mitchell im Kölner Museum Ludwig, aktuell zu Anna-Eva Bergman im Musée d’Art moderne in Paris. Diese Ausstellungen galten jedoch einzelnen, bereits etablierten Künstlerinnen. Auch für einen Teil der in Arles gezeigten Positionen trifft das zu. Die stilistische Bandbreite der Exponate aber ist so groß, dass schon die schiere Quantität des Gezeigten ein überraschendes Bild ergibt.
Vulkanlandschaften aus Feuer und Säure

Vertreten sind Künstlerinnen aus Korea und Japan, aus dem Mittleren Orient, aus Osteuropa und Südamerika. Gezeigt wird das gesamte Spektrum an Ausdrucksformen, mit denen der abstrakte Expressionismus die Möglichkeiten der Malerei erweitert hat. Die Farbe strömt, verfestigt sich zu Klumpen oder fließt in Rinnsalen von den Leinwänden herab, man vermischt sie mit Sand, Zigarettenasche und Sägemehl.

Die Farbskala reicht vom monochromen Schwarz über das tiefe, in Schichten aufgetragene Violett der Japanerin Tomie Ohtake bis zum leuchtenden Signalgrün bei Elaine de Kooning. Die peruanische Künstlerin Gloria Gómez-Sánchez erzeugt an Vulkanlandschaften erinnernde Gebilde, indem sie die Farboberflächen mit Feuer und Säure bearbeitet. Die Argentinierin Marta Minujín bedeckt ihre Leinwände mit Schichten aus Leim, Kreide und Lack und überlässt das Material seinen Verfallsprozessen.

Zu den Entdeckungen der Ausstellung gehören auch die „Calligramme“ der polnischen Künstlerin Franciszka Themerson. Die filigranen Zeichnungen sind nicht durch die Bewegungen des Pinsels entstanden, sondern durch die Verlaufsspuren der flüssigen Farbe, die Themerson durch das behutsame Ausbalancieren des Papiers dirigiert. Auf vielen der Bilder erfasst man die Motorik der ausführenden Körper, die Gesten und Bewegungen, die sie hervorgebracht haben. Die Formen sind stillgestellt, aber zugleich in Bewegung. Daran erinnert Elaine de Kooning, wenn sie betont, ihre Gemälde seien weniger Bilder als Ereignisse, eher Verben als Substantiven vergleichbar.
Helen Frankenthaler, April Mood, 1974

Eine derart dynamisierte Kunst wirft die Frage auf, welche Kräfte sich in ihr artikulieren. Sind die abstrakten Formationen Ausdruck verborgener Gemütszustände, Notate aus dem Innenleben der Künstlerinnen? Die Begleittexte zur Ausstellung geraten hier ein wenig ins Straucheln. Der Versuch, Abstraktion als Ausdruck biographischer Krisen oder weltpolitischer Umbrüche zu deuten, ist wenig überzeugend.

Er wiederholt ein in die Jahre gekommenes Deutungsschema, das den abstrakten Expressionismus auf die traumatische Erfahrung des Zweiten Weltkriegs oder das Schicksal von Verfolgung und Exil zurückführen will. Abgesehen davon, dass sich solche kausalen Kurzschlüsse aus der Betrachtung der Gemälde heraus nicht plausibel begründen lassen, ist es gar nicht nötig, nach einem verborgenen, zusätzlichen Sinn hinter den Bildern zu suchen. Ihre ästhetische Prägnanz bietet Anschauungsmaterial genug.

Das Konzept der Kuratorinnen lässt aber noch eine weitere Frage aufkommen: Läuft eine Ausstellung, die ausschließlich Werke von Künstlerinnen zeigt, nicht Gefahr, die Trennung der Geschlechter, die sie zu Recht beklagt, zu reproduzieren – nur eben unter umgekehrtem Vorzeichen?

An dieser Stelle ist an einen Aufsatz der amerikanischen Kunsthistorikerin Linda Nochlin aus dem Jahr 1971 zu erinnern – „Warum gab es keine großen Künstlerinnen?“. Nochlin stellt keineswegs in Abrede, dass es in der Geschichte der vormodernen Kunst immer wieder anerkannte Künstlerinnen gab. Dieser Umstand könne aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Geschichte der Kunst von einer symmetrischen Geschlechterverteilung keine Rede sein kann.

Malerinnen wie die 1593 in Rom geborene Artemisia Gentileschi oder Angelika Kauffmann im achtzehnten Jahrhundert repräsentieren nicht den Normalfall der Kunstgeschichte. Diese Ungleichheit ist nach Nochlin nicht durch vermeintliche Eigenschaften von Frauen und Männern begründet, sondern durch soziale und politische Bedingungen, den Umstand beispielsweise, dass Frauen von der professionellen Kunstausbildung lange Zeit ausgeschlossen waren.
Klischee von heterosexuellen Machos

Wenn Nochlin also das Fehlen „großer“ Künstlerinnen beklagt, ist das nicht als Ausdruck des Bedauerns über schicksalhafte Ungleichheiten gemeint, sondern als Kritik an einem Wertesystem, das künstlerische Größe an die Vorstellung männlich geprägter Genialität gebunden hat. Für die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts trifft diese Deutung in dieser Weise nicht mehr zu.

Schon die Anzahl der in Arles vertretenen Künstlerinnen zeigt das. Nicht wenige von ihnen waren zu Lebzeiten bekannt, ihre Bilder zirkulierten im Kunsthandel und waren Gegenstand von Besprechungen. Erst die institutionelle Definitionsmacht der Museen im Verein mit der Kunstgeschichtsschreibung haben dieses Bild nachhaltig verwischt. Irving Sandlers 1970 erschienene Studie „A History of Abstract Expressionism“ verzeichnet keine einzige Künstlerin, Henry Geldzahler kam ein Jahr zuvor in „New York Painting and Sculpture 1940-1970“ auf eine einzige. Ein Blick in das entsprechende Kapitel in Werner Haftmanns „Malerei im 20. Jahrhundert“ ergibt dasselbe Bild.

Solange eine symmetrische Darstellung nicht der Normalfall ist, ist die in Arles vorgenommene Auswahl sehr gut nachvollziehbar. Sie korrigiert das hartnäckige Klischee des abstrakten Expressionismus als exklusiver Veranstaltung heterosexueller Männer mit Hang zum Machismus und gesteigertem Alkoholkonsum. Weitere Differenzierungen stehen an.

Die im Untertitel der Ausstellung getroffene Bezeichnung als „Weltgeschichte“ der Abstraktion bedürfte sicherlich einer Revision. Denn auch die im Mittleren Orient, in Asien oder Lateinamerika geborenen Künstlerinnen haben zum großen Teil westliche Institutionen durchlaufen, sodass „die Welt“ sich hier nur ausschnitthaft zu erkennen gibt. Aber das wäre Gegenstand einer anderen Ausstellung. Sie müsste dem Umstand Rechnung tragen, dass unser tradiertes Verständnis von Abstraktion nicht universalisierbar ist.

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In den Siebzigerjahren hatte der abstrakte Expressionismus seine Hochzeit erreicht. Nur sehr wenige der in Arles gezeigten Künstlerinnen leben noch. „Sie können die Aufmerksamkeit, die sie heute erhalten, nicht mehr mit uns teilen, und wir können nur ahnen, wohin ihre Arbeit sich entwickelt haben würde, hätten sie die gebührende Rezeption erhalten“, schreiben die Kuratorinnen im Katalog. Auch das ist ein Grund, warum es gut ist, das verstreute Werk dieser Künstlerinnen nun in seiner ganzen Vielfalt zu zeigen.

Peter Geimer ist Direktor des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris. Die Ausstellung „Action, Geste, Peinture. Femmes dans l’abstraction, une histoire mondiale (1940-1970)“ ist bis zum 22. Oktober in der Fondation Vincent van Gogh in Arles zu sehen; ab 2. Dezember dann in der Kunsthalle Bielefeld. Der Katalog kostet 50 Euro.

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