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Alienation Kritik Material Pizzicato-Geigen-Untermalung Praxis Zeitgeschichte

Kalenderwoche 50

Lieber Fachbereich,

wir hoffen, es geht euch allen gut!

heute treffen wir uns um 15 Uhr im 117.

Jiaxi zeigt seine Arbeit, verbunden mit artistic research.

Um ca 16 Uhr brechen wir auf ins mumok.

Manuela Ammer führt uns freundlicherweise durch die von ihr kuratierte Ausstellung von Liliane Lijn: Arise Alive

https://www.mumok.at/ausstellungen/liliane-lijn

weiterer Programmpunkt:
Veranstaltung zum Erscheinen des neuen Buches von Helmut Draxler „Was tun? Was lassen? Politik als symbolische Form“

mit anschließender Podiumsdiskussion unter Beteiligung von Antonia Birnbaum, Stephan Gregory und Eva Kernbauer

Im Anschluss an die Veranstaltung gibt es ein kleines Buffet

Dienstag, 10. Dezember 2024, 18.00 Uhr
Ort: die Angewandte
Seminarraum 21 (4. OG)
Vordere Zollamtsstraße 7, 1030 Wien

https://www.dieangewandte.at/aktuell/aktuell_detail?artikel_id=1733283735327

"Die Vorstellung, es gebe keine Unterscheidung mehr zwischen Kunst und Kultur oder zwischen Kunst und Politik, alles seien bloß 'kulturelle Praktiken' und darin löse sich alles in gleichsam empirische Differenzen auf, die man endlos ausbreiten kann, ist mir zunehmend unheimlich geworden. Meine konkrete Erfahrung war nämlich, und ich war damals selbst noch ein ganz großer Deleuze-Fan, letztlich eine andere. Meine Erfahrung war, dass sich diese Begriffe nicht einfach auflösen und dass wir eher versuchen müssen, mit den historischen Differenzen und den damit gegebenen Widersprüchen umzugehen. Und das heißt natürlich Dialektik! Es bedeutet, Kunst und Politik nicht einfach auf ein gemeinsames Programm der unendlichen Differenzierung zu projizieren, sondern sie in ihrer Differenz anzunehmen und in ihrer Konflikthaftigkeit zu diskutieren." 

H. Draxler 2023
Abstrakt Action Handykiste




Pollesch, 2019

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Alienation Kritik Material

2 Interviews

  1. Interview, aus dem Jahre 2019, geführt mit Joseph Vogl. Es beginnt prätentiös mit der Einleitung wird dann aber doch recht schnell ein Gespräch, dass ich gerne gelesen habe: geht um Probleme, Antworten&Fragen, zum Ende gar noch um Glück. Hier zu finden: https://www.praeposition.com/text/interview/joseph-vogl
  2. Interview, ganz frisch 2024, geführt mit Helmut Draxler. Auch hier der Start spezifisch, den Kunstverein München betreffend, dann geht es um Kunst und Politik, die Differenzen von Kunst und Politik, die Nützlichkeit der Psychoanalyse und dass Krise bedeutet die Kommunikation zu suchen und nicht sich zu verkriechen.
„Die Vorstellung eines Raums ohne Probleme erscheint mir zutiefst suspekt“
Helmut Draxler im Gespräch mit Jonas von Lenthe
Installationsansicht / Installation view, 15 Jahre 1980, Kunstverein München, 1995; Foto / photo: Ingrid Scherf.
Das vorliegende Gespräch mit Helmut Draxler, der von 1992 bis 1995 Direktor des Kunstverein München war, entstand als Reaktion auf den Archivnewsletter Nr. 11 (April 2023), der sich mit dem Projekt faschismusersatz auseinandersetzte. Das Film- und Veranstaltungsprogramm, das 1993 unter anderem im Kunstverein München stattfand, reagierte auf die beunruhigende Zunahme neonazistischer Aktivitäten in deutschen Städten und auf ein neues gesamtdeutsches Nationalbewusstsein jener Zeit. Das Programm erstreckte sich über vier Monate und setzte sich aus Filmvorstellungen, Lesungen und Diskussionen im Kunstverein, im Backstage Club und im Neuen Theater München zusammen. Die Initiator*innen des Projektes richteten ihren Fokus unter anderem auf die Kontinuitäten des Faschismus in der deutschen Gesellschaft. faschismusersatz und sein historischer Kontext bilden den Ausgangspunkt für dieses Gespräch. Im Folgenden geht es um das widersprüchliche Verhältnis von Kunst und Politik, den Begriff der „Repolitisierung“, die Verstaatlichung von Erinnerungspolitik und heutige Formen des politischen Aktivismus.


Jonas von Lenthe: Du warst von 1992 bis 1995 Direktor des Kunstvereins, Hedwig Saxenhuber die Kuratorin. Aus heutiger Sicht ist es beeindruckend, wie sich in eurem Programm diskursive, künstlerische und aktivistische Ansätze getroffen haben. Diese Gemengelage stellt den Kontext für das Film- und Veranstaltungsprogramm faschismusersatz dar, das 1993 unter anderem im Kunstverein stattfand. Wie würdest du dieses Zusammentreffen der unterschiedlichen Ansätze insbesondere in Hinblick auf das oft in diesem Kontext verwendete Schlagwort der Repolitisierung beschreiben?

Helmut Draxler: Die Veranstaltung faschismusersatz hatte ich damals ja nur ermöglicht, indem ich die Räumlichkeiten des Kunstvereins zur Verfügung gestellt habe, ohne sie aktiv mitzugestalten. Auch wenn die Veranstaltung also nicht den Kern unseres Programms darstellte, so steht sie doch für etwas Wichtiges. An diesem Beispiel lässt sich gut über eine Reihe von Fragen nachdenken: Welchen politischen Stellenwert hatte faschismusersatz damals? Wie kam es überhaupt dazu, in einem Kunstverein eine solche Veranstaltung zu machen? Und wie kann man aus der heutigen Perspektive auf sie blicken, in der sich die politischen Konstellationen wieder so deutlich verändert haben?Du hattest das Stichwort der Repolitisierung genannt, das damals in aller Munde war, nach den 1980er Jahren, in der die Politisierungswelle der 70er Jahre ja noch einmal unterbrochen wurde. In den 80ern wurde auf andere Formen künstlerischer und kultureller Repräsentation gesetzt. Rückblickend lässt sich feststellen, dass dies der letzte Einspruch sowohl gegen die Politisierung als auch gegen die Akademisierung der Kunstwelt war. So gab es in den 1980er Jahren zumindest in Europa nur ganz wenige diskursive Veranstaltungen. Erst ein für uns damals neuer Impuls aus den USA änderte das. Der Diskurs war eine Art Schnittstelle zwischen der Politik und der Kunst; man denke an die berühmten Aufsatzsammlungen der Zeit, wie Hal Fosters The Anti-Aesthetic: Essays on Postmodern Culture (1983) oder Brian Wallis’ Art after Modernism. Rethinking Representation (1984), die diese Entwicklung entscheidend angestoßen haben, indem sie eine linke Lesart der Postmoderne vorgeschlagen haben. Das hat uns am Kunstverein dazu gezwungen, nicht einfach nur ein Programm zu machen, sondern auch ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie sich Kunst überhaupt verorten lässt, im Verhältnis zu Diskurs und Politik ebenso wie im historischen Sinn, insbesondere in Bezug auf die Tradition der Avantgarde. Und wie lässt sich eine solche Konstellation im Rahmen der konkreten Arbeit am Kunstverein überhaupt darstellen?
faschismusersatz. film- und veranstaltungsprogramm. texte, filme, diskussionen zu faschismus, widerstand und postdemokratischen kontrollsystemen (ersatz facism. film and event program. texts, films, discussions on fascism, resistance and post-democratic control systems), München: Selbstverlag / Munich, self-published, 1993.
JvL: Du hast gerade in Wien gemeinsam mit Antonia Birnbaum eine Konferenz mit dem Titel Dialektik und Anti-Dialektik [1] organisiert. In deinem Vortrag Der Entzug des Denkens stellst du eine „Krise des Denkens“ fest und bringst diese in einen Zusammenhang mit den sich gegenüberstehenden Denkansätzen der Dialektik und der Anti-Dialektik. Du sagst auch, dass deine Generation von einem beispiellosen Siegeszug der Anti-Dialektik geprägt ist – vor allem im Namen des Post-Strukturalismus und den daran anschließenden Bewegungen zwischen Post-Operaismus und Neuem Materialismus, Gender, Queer und Postcolonial Studies. Könntest du die Diskurstraditionen dieser beiden Lager beschreiben? Wo würdest du euer Programm am Kunstverein in diesem philosophischen Konflikt zwischen Dialektik und Anti-Dialektik verorten?

HD: Wir waren damals alle sehr starke Anhänger*innen der Anti-Dialektik: Insbesondere Gilles Deleuze und Félix Guattari mit ihrem Anti-Ödipus von 1972, aber auch Jacques Derrida. Diese Kerntexte der französischen Theorie, die für uns zentral waren, verstanden sich seit den 1960er Jahren in ihrer Bewegung gegen Hegel wesentlich anti-dialektisch, also nietzscheanisch. Gleichzeitig, und ich denke, das war uns damals gar nicht bewusst, gab es natürlich immer auch ein Flirten mit der Dialektik, also mit Hegel. Aus diesem Grund ist auch die Lacan-Schule etwa um Slavoj Žižek in Ljubljana dann später immer wichtiger geworden. Für mich war Žižek damals zumindest eine Bestätigung, der Anti-Dialektik nicht in dem Sinne zu folgen, dass sich alles in Mikrodifferenzen auflöst, so, wie Deleuze in der Techno-Community in den 1990er Jahren rezipiert oder für einen kulturwissenschaftlichen Ansatz produktiv gemacht wurde. Die Vorstellung, es gebe keine Unterscheidung mehr zwischen Kunst und Kultur oder zwischen Kunst und Politik, alles seien bloß „kulturelle Praktiken“ und darin löse sich alles in gleichsam empirische Differenzen auf, die man endlos ausbreiten kann, ist mir zunehmend unheimlich geworden.Meine konkrete Erfahrung war nämlich, und ich war damals selbst noch ein ganz großer Deleuze-Fan, letztlich eine andere. Meine Erfahrung war, dass sich diese Begriffe nicht einfach auflösen und dass wir eher versuchen müssen, mit den historischen Differenzen und den damit gegebenen Widersprüchen umzugehen. Und das heißt natürlich Dialektik! Es bedeutet, Kunst und Politik nicht einfach auf ein gemeinsames Programm der unendlichen Differenzierung zu projizieren, sondern sie in ihrer Differenz anzunehmen und in ihrer Konflikthaftigkeit zu diskutieren. Deshalb gab es am Kunstverein München ein Kunstprogramm, und es gab eben auch ein politisches Programm, im Gegensatz zu den vielen Vermischungsansätzen andernorts – man denke an die sogenannten Berliner Zusammenhänge oder die Shedhalle in Zürich – die versucht haben, die Differenzen total ineinander aufzulösen, und keine Differenzierung mehr zuzulassen.Deswegen war es so wichtig, nicht nur zwischen den künstlerischen und den politischen Ansätzen, sondern auch innerhalb des offiziellen Programms eine Differenz aufrechtzuerhalten, etwa zwischen ganz klassischen und unglaublich schönen Ausstellungen, wie zum Beispiel Louise Lawlers A Spot on the Wall von 1995 und dem „totalen Chaos“ bei der Sommerakademie von Stephan Dillemuth. Genau das sollte den Reiz ausmachen: die Besucher*innen sollten immer wieder mit Dingen konfrontiert werden, die sie nicht erwarten. Das Denkmodell dahinter ist eben im Wesentlichen ein dialektisches, das nicht auf die Auflösung der Kategorien setzt, sondern davon ausgeht, dass wir nur aus den Kategorien heraus mit diesen sinnvoll, das heißt in Bezug auf Negation und Widerspruch arbeiten können.
Installationsansicht / Installation view, Louise Lawler: A Spot on the Wall, Kunstverein München, 1995; Foto / photo: Wilfried Petzi.
JvL: Dir ist also wichtig zu betonen, dass faschismusersatz eine politische Veranstaltung war, die nicht den Anspruch hatte, als künstlerisches Projekt zu wirken?

HD: Ja, absolut. Dass faschismusersatz am Kunstverein stattfand, hatte ja vor allem damit zu tun, dass es damals schwierig war für diese – ich nenne sie mal – postautonomen Szenen in München Räume zu finden, weil München halt München ist. Daraus ergab sich überhaupt erst das Interesse. Gleichzeitig kam in den frühen 90er Jahren, vor allem von Hamburg ausgehend, in den sogenannten Wohlfahrtsausschüssen die Idee auf, man müsse wieder Bündnisse suchen zwischen der Pop-, Politik- und Musikszene. In diesem Kontext war es für uns wichtig daran festzuhalten, dass wir an einem Abend durchaus eine politische oder auch eine theoretische Veranstaltung machen können, dass dies jedoch nicht unbedingt Teil des offiziellen, künstlerischen Programms sein muss. Wir unterlegten diesen Veranstaltungen also zumindest keinen direkten Kunstcode, sondern ließen sie erstmal für sich funktionieren. Erst später sind daraus dann auch gemeinsame Projekte entstanden.

JvL: Welche Rolle hat die Psychoanalyse in den diskursiven Strömungen gespielt, in denen ihr euch damals aufgehalten habt?

HD: Für mich war die Psychoanalyse eine ganz entscheidende, grundlegende Erfahrung. Ich war seit den frühen 80er Jahren in psychoanalytischen Lesegruppen aktiv, doch gleichzeitig gab es dieses Verdikt von Deleuze und Guattari gegen die Psychoanalyse. Dieses Verdikt abzustreifen – ohne deshalb Deleuze und Guattari vollkommen zu verabschieden – stellte die Voraussetzung dar, mich auch persönlich immer stärker in psychoanalytische Denk- und Praxisformen zu involvieren. Im Laufe der 90er Jahre wurde die Psychoanalyse für mich zum wesentlichen Bezugspunkt, weil sie ein Modell dafür anbietet, wie man mit Widersprüchen und unterschiedlichen Meinungen auf persönlicher, sozialer, institutioneller und letztlich auch politischer Ebene umgehen kann. Gerade der praktische Aspekt war das wirklich Faszinierende daran: Wie kann man Polaritäten und Widersprüche nicht nur denken, wie in der philosophischen Tradition, sondern wie kann man sie an sich selbst und in kleinen Gruppen im psychodynamischen Prozess erfahren?Genau das scheint mir ja auch die große Frage unserer Gegenwart zu sein: Welchen inneren, psychologischen und welchen sozialen Raum gibt es überhaupt noch, in dem man die unterschiedlichen Meinungen aushalten und die Konflikte um ihre Differenz austragen kann? Auf allen Seiten überwiegen ja die Versuche, jede Gegenposition möglichst vollständig zu diskreditieren – was man gemeinhin Canceln nennt –, um sie in der auch für einen selbst verstörenden Dimension nicht wahrnehmen und sich dementsprechend nicht mit den eigenen Anteilen am jeweiligen Konflikt auseinandersetzen zu müssen. Psychoanalytiker wie Wolfgang Trauth oder Stavros Mentzos hatten solche Dynamiken als ein interpersonales Delegationsgeschehen in dem Sinn beschrieben, dass wir ständig eigene Anteile unserer bipolaren Motivations- und Bedürfnisstrukturen an andere auslagern, um deren grundlegende Konflikthaftigkeit nicht in und mit uns selbst austragen zu müssen. So kann ich mich als gut, liebevoll und anderen zugewandt begreifen, während die anderen böse, egoistisch oder gierig sind. Aus diesem interpersonalen Delegationsgeschehen lässt sich lernen, dass es nicht einfach die Anderen sind, die an den aktuellen Konflikten Schuld sind, die Medien oder irgendwelche Verschwörungen, sondern letztlich auch wir selbst. Von hier aus wird auch der Furor verständlich, der einen sofort trifft, wenn man versucht, aktuelle Konflikte nicht im Sinne einer solchen Schuld-Delegation zu adressieren. Wenn man nicht die Begriffe „Terror“, „Genozid“, „Pogrom“ oder „Apartheid“ verwenden möchte, verrät man gleich die ganze Bewegung, oder schlimmer noch, geht einen Kompromiss mit dem Gegner ein, in jedem Fall ist man ein moralisch vollkommen diskreditierter Mensch. Allerdings verursachen solche Mobilisierungsstrategien, dass der symbolische Ort, der Politik überhaupt erst möglich macht, verhindert und verstellt wird, sodass nur mehr die Bekenntnishaftigkeit von Politik übrigbleibt.

JvL: Was du ansprichst, bringt mich zurück zum eigentlichen Ausgangspunkt unseres Gesprächs. Denn ging es bei faschismusersatz nicht auch gerade um den internalisierten Faschismus, also um die Frage, welches faschistische Potential in mir selbst steckt?

HD: Ja, das ist richtig. Ich denke, dieser Hintergrund im gleichsam alltäglichen Faschismus war sehr wichtig, in den Kontinuitäten auf der sprachlichen, mentalitätsgeschichtlichen und habituellen Ebene. Er war gleichzeitig auch der Ausgangspunkt für Adrian Pipers Ausstellung: hierbei ging es darum zu sagen, dass der Rassismus nicht delegiert werden kann; er findet nicht „drüben“, bei den anderen in der ehemaligen DDR statt, sondern im Hier und Jetzt. Rassismus ist allgegenwärtig und fordert uns alle heraus.
Installationsansicht / Installation view, Sommerakademie, Kunstverein München, 1994.
Man könnte sagen, dass das politische Projekt, der faschismusersatz, und das künstlerische Projekt von Adrian Piper dahingehend konvergierten, dass man dem zuvor beschriebenen Delegationsgeschehen zwar mit Sicherheit nicht gänzlich entkommen kann, dass es aber Momente gibt, an denen man innehalten kann und sich ansehen kann, was es mit uns genau auf der Ebene einer möglichen Politisierung macht. Vor diesem Hintergrund kann ich etwa keinen Antirassismus vertreten, der die Form einer absoluten Reinheitsfantasie annimmt – denn den differenz- und konfliktfreien Raum gibt es nicht. In einer solchen Fantasie reproduziert sich etwas von dem Rassismus, auf den ich bei den anderen zeige, um mich in dem Moment selbst davon freizusprechen. Genau darin liegt die Gefahr einseitig moralischer Zuspitzungen. Ich habe mehr Vertrauen zu Leuten, die sich ihre eigene Fehlbarkeit zumindest ein wenig eingestehen. Wir leben grundsätzlich in einem sozialen Raum, der von Unterschieden geprägt ist – das macht ihn erst zu einem sozialen Raum –, aus dem wir nicht vollkommen ausbrechen können. Die Vorstellung eines Raums ohne Probleme erscheint mir hingegen zutiefst suspekt, auch dort wo nur implizit mit ihr geliebäugelt wird.

JvL: Der Ansatz, den internalisierten Faschismus und Antisemitismus zu reflektieren, taucht auch bei den Antideutschen als Intervention innerhalb der deutschen antifaschistischen Bewegung in den frühen 90er Jahren auf. Während dieser Ansatz ja durchaus produktiv ist, kam es im Laufe der kommenden Jahre zur „problematischen Zuspitzung zu einem neuen Hauptwiderspruch“ der antideutschen Position, wie du es in unserem Vorgespräch formuliert hast. Ebenso hast du an meinem Text zu faschismusersatz im Archivnewsletter Nr. 11 kritisiert, dass Dirk Moses’ Analyse, auf die ich mich unter anderem beziehe, dem historischen Kontext von faschismusersatz nicht ganz gerecht wird. Denn in diesem Fall handelte es sich eben nicht um verstaatlichte Erinnerungspolitik, sondern um ein linkes, selbstorganisiertes Format in Opposition zum rechten Klima jener Zeit – Anschläge auf Asylunterkünfte, Schlussstrichforderungen und Neonazi-Aufmärsche –, das eine Auseinandersetzung mit der Shoah und dem Faschismus forderte. Welche Prozesse haben in deinen Augen bei den Antideutschen zu jener „problematischen Zuspitzung zu einem neuen Hauptwiderspruch“ geführt?

HD: Welche historischen Dynamiken im Spiel sind, also die Frage, was zwischen heute und damals liegt, das ist natürlich die schwierigste Frage überhaupt! Selbstverständlich kann man nicht jede Form der Auseinandersetzung mit dem Faschismus auf die aktuellen verstaatlichten Aneignungsformen reduzieren; auch, dass die Deutschen dies aus einem tief verinnerlichten Schuldkomplex heraus täten, halte ich für eine fragwürdige Argumentation. Und ich stimme dir zu, die innerlinke Auseinandersetzung mit linkem Antisemitismus, die die Antideutschen forderten, war mit Sicherheit wichtig. Doch wie kommt es, dass eine eigentlich so marginale linksradikale Bewegung, die in den sektiererischen K-Gruppen [2] der 70er Jahre wurzelt und über nicht mehr als ein paar marginale Zeitschriften verfügte, sich in ihrer Argumentationslogik heute scheinbar widerstandslos in die offizielle Staatspolitik mit Antisemitismusbeauftragten und einer entsprechenden Staatsräson einschreibt? Die Zeitschrift Jungle World, die ja über viele Jahre ein wichtiges Organ für linke Auseinandersetzungen war, hat heute scheinbar keine Scheu, auch einen ehemaligen israelischen General zu interviewen, der den aktuellen Konflikt aus einer rein militärischen Perspektive beurteilt. Das geht doch sehr viel weiter, als ich das für eine linke Perspektive bereit wäre für legitim zu halten. Unheimlich daran ist gerade, wie sich ein solches grundsätzlich wichtiges und interessantes, szenebezogenes Reflexionsprojekt in seiner politischen Positionierung heute kaum mehr von den konservativen Zeitungen FAZ und Die Welt unterscheiden lässt. Das heißt, es gibt hier keine Auseinandersetzung mehr, sondern nur ein Festhalten an einmal erworbenen Wahrheitspositionen. In meinen Augen steht dahinter allerdings eine wahnsinnige Angst, ein nicht-mehr-Vertrauen-können auf die eigene Argumentationskraft.Doch zurück zu deiner Frage: Für mich ist es auch ein Rätsel, warum manche Argumentationsweisen diese unheimlichen, geradezu widersinnigen Karrieren machen, die scheinbar quer zu allen Logiken von Dominanz und Marginalisierung stehen. Die Frage bleibt mithin, wie sich daran noch anschließen lässt. Wie gesagt, grundsätzlich ist die Auseinandersetzung mit linkem Antisemitismus wichtig, und natürlich mit jeder Form von Faschismus auf allen Ebenen, seiner Geschichte, seiner Verinnerlichung, seinen psychosozialen Dimensionen. Doch wenn ich den Antisemitismus zum neuen Hauptwiderspruch mache, also ein Muster herstelle, mit dem die ganze Welt interpretiert werden soll, dann löst das natürlich enorme Widersprüche aus, weil andere in durchaus legitimer Weise die Welt auch anders sehen können.
Vanilla Nightmares von / by Adrian Piper als Teil der Ausstellung / as part of the exhibition Adrian Piper Retrospektive, 1992; Foto / photo: Wilfried Petzi.
JvL: Siehst du einen Zusammenhang zwischen diesen Zuspitzungslogiken und dem Siegeszug der Anti-Dialektik, wie du ihn in der Philosophie seit den 90er Jahren festmachst?

HD: Ich denke, da gibt es mit Sicherheit Überlagerungen. Die Zuspitzung ist natürlich ein Teil des linken Erbes – schon immer waren die Genoss*innen von gestern die Feinde von heute nach dem Muster von „wer hat uns verraten, Sozialdemokraten“. Genau dieses Erbe, die Aufeinanderfolge von unbedingten Wahrheitsansprüchen, die nicht selten mit religiösen Erlösungsvorstellungen überkodiert sind, gilt es in Frage zu stellen. Solchen Wahrheitsansprüchen würde ich entgegnen, dass die Stärke des linken Denkens gerade darin besteht, dass es sich eben nicht von selbst versteht, dass es mit vielen Problemen befrachtet ist, dass es aber von einer Art von Überzeugung getragen ist, dass sich die Auseinandersetzung um diese Probleme lohnt. Die eigene Position nur immer weiter zuzuspitzen, in der Hoffnung, irgendwann zum wahren Antagonismus zu gelangen, an dem sich dann die Konflikte lösen und die Welt gut werden wird – ich glaube, über 200 Jahre nach der Französischen Revolution können wir so nicht mehr an die Welt herantreten. Der so erbärmliche Zustand der Linken heute besteht ja gerade darin, dass wir nicht wissen, warum die Leute die Rechten wählen und sich von ihnen so angezogen fühlen. Wir haben keine klare Theorie, die das erklärbar macht, und dann bleibt nur mehr übrig, die alten Besitzstände in Bezug auf soziale und kulturelle Absicherungen zu verteidigen. Das entspricht einer Logik, die die Effekte der eigenen Aussagen und des eigenen Handelns nicht mehr mitdenken kann. Und es ist auch eine Frage der Form, wie mein zugespitztes Argument wirkt, welche Effekte es hat, wenn ich der anderen Person an den Kopf werfe, wie reaktionär und unreflektiert sie hinsichtlich ihrer kapitalistischen, kolonialistischen, sexistischen Dimensionen ist.Darin, also in dem, was die Linke ausschließt, indem sie es zurückstößt, liegt die Kehrseite der Zuspitzung. Was machen wir mit denen, die nicht so denken wie wir? Es gab die Guillotine, den Gulag, die maoistischen Umerziehungslager. Das ist eine Gewaltgeschichte, die ganz massiv innerhalb der Linken situiert ist, die man nicht einfach so fortschreiben kann. Das heißt, es gibt gute Gründe für eine Auseinandersetzung mit der Frage der politischen Form. Georg Lukács und andere haben bereits in den 30er Jahren gesagt, dass wir eine marxistische oder linke Ästhetik brauchen, denn die formalen Probleme lösen sich nicht von selbst. Solche Formfragen können ästhetische Fragen sein, sie können sogar mit dem von vielen verteufelten Geschmack zu tun haben, aber sie können eben auch politischer Natur sein. Für den aktuellen Aktivismus scheint mir dies eine ganz entscheidende Frage zu sein.

JvL: Wie sähe denn eine Form des Aktivismus aus, die ohne eine solche Lösungsgewissheit funktioniert?

HD: Der Aktivismus tendiert aus seiner inneren Logik heraus dazu, die Probleme als schon erledigt zu behandeln; dass man sie nicht mehr denken muss, sondern nur noch im Sinne der Aktion exekutieren muss. Deshalb denke ich, dass es wichtig ist, dass der Aktivismus zum einen stets von einer politischen Reflexion begleitet wird, die immer wieder Zielsetzungen und Methoden, gewollte Ergebnisse und ungewollte Effekte gegeneinander abwägt; und zum anderen, dass er sich selbst nicht als der Weisheit letzter Schuss versteht. Der politische Aktivismus muss Teil eines komplexeren Weltverständnisses bleiben. Und dazu gehören ganz wesentlich Kunst und Philosophie.




Helmut Draxler war von 1992 bis 1995 Direktor des Kunstverein München. Als Kunsthistoriker und Kulturtheoretiker publiziert er regelmäßig zu Theorie und Praxis der Gegenwartskunst. Von 2014 bis 2023 war er Professor für Kunsttheorie an der Universität für angewandte Kunst, Wien. Zuletzt erschien 2021 von ihm beim Brill | Fink Verlag Die Wahrheit der Niederländischen Malerei. Eine Archäologie der Gegenwartskunst. Beim tentare Verlag erscheint diesen November sein neues Buch Was tun? Was lassen? Politik als symbolische Form.Jonas von Lenthe ist seit 2022 Archivar am Kunstverein München.


Lektorat: Gloria Hasnay, Lea Vajda



[1] www.philosophie.uni-ak.ac.at/dialektik-antidialektik-21-23-3-2024-tagung/
[2] www.wikipedia.org/wiki/K-Gruppe
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Wohlfahrtsausschuss_(1990er)

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Kritik Praxis

Dienstag aus Licht

Avocado Ibuprofen

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Danke für die schönen Beiträge/ Sommerberichte hier im Blog.
(ALLE Fachbereichsmitglieder sind eingeladen)

Im kommenden Semester treffen wir uns immer dienstags.

Der ACTION DIENSTAG wird ungefähr so aussehen:

13 – 15 Ausstellungsbesuche

15 – 17 Klassenbesprechung im 117

17 – 19 Film im 117

+ mehr Ausflüge!

Start: 8.10.24

see you

M

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Alienation keine Kritik miscellaneous

Im Railjet 256

Rezension zu Diederichsens 21. Jahrhundert des langgedienten Radio-Moderator Klaus Walter , nebst criticality übende Radio-Sendung vom 7.5. WDR 3

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/open/expop/audio-diedrich-diederichsen-und-das-jahrhundert-100.html


Gut am DD-Denken ist, „dass er nicht in einer Antithese dachte, sondern in einem Komplex von Antithesen, der sich nicht nur gegen das vorgefundene Alte richtete, sondern auch gegen die Installation einer neuen Orthodoxie.“ Schreibt DD. „Schreibst du da über dich selbst?“ Frage ich ihn nachmittags in Frankfurt, abends hält er einen Vortrag zur Ausstellung von Cosima von Bonin in der Schirn. „Das wäre ein bisschen zu viel der Ehre. Ich kann mich freuen an einer Persönlichkeit, die so funktioniert“, antwortet DD.
Die Persönlichkeit ist Mike Kelley, der Satz steht in einem Nachruf auf den US-Künstler. Kelley wird gerade im Düsseldorfer Museum K21 gewürdigt, DDs Text stammt aus dem Jahr 2015 und klingt wie gerade eben jetzt geschrieben zu einer gerade eben jetzt akuten Lage, etwa den nach dem 7. Oktober notorisch unterkomplexen These-Antithese-Schlagabtausch im Zeichen der Vereindeutigungzwänge, der selten über die Installation einer neuen Orthodoxie hinauskommt – oder über die Affirmation alter Orthodoxien.
(…)“


aufregendes, forderndes, 3 tägiges Präsenzaufnahmeverfahren in der Lehargasse letzte Woche. Wir haben uns jede Mühe gegeben, vielversprechende Leute in die Klasse einzuladen. Concerned wegen denen, die wir nicht aufnehmen können.
Kommt hoffentlich nicht zu brutal.

Zur Lehre (hier: Schreiben)

Rainald Goetz: wrong. Suhrkamp 2024, S. 73 f.

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Milo Rau, bestellt als Leiter der Wiener Festwochen für 5 Jahre, mit seinem Ansatz des politischen Theaters, weiter verfolgen.
Radio-Gespräch mit dem Falter, in dem er sich erklärt:
https://www.falter.at/falter/radio/66462a74acd36400121a3f7e/die-kunst-des-widerstands-mit-milo-rau-1153
(Bei Willkommen Osterreich war er auch, vor 2 Wochen zirka.)

Zur Eröffnung der Festwochen am herrlich beleuchteten Rathaus beste Stimmung. Zwei Regenponchos geschenkt bekommen.


Wie wohlwollend gleichmäßig gelaunt quasi alles von allen beklatscht und hingenommen wurde. Lustig harmlos sympathischer Voodoo Jürgens, Ernst erzeugende Pussy-Riot Vertreterin, selbst Bipolar Feminin mit ihrem Sack ab-ich-töte-euch-alle-Geschrei.
– Poßt! (Applaus) (geht ab)

Hier die komplette Aufzeichnung mit Grußworten aus aller Welt, Auftritten von Elfriede Jelinek, Pussy Riot, Gustav, Carola Rackete, Kim de Horizon, Sibylle Berg usw.
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Berichte zu den ersten Wiener Prozessen:
https://topos.orf.at/wiener-festwochen-wiener-prozesse100

https://www.deutschlandfunk.de/die-wiener-prozesse-die-festwochen-verhandeln-ueber-korruption-und-schuld-dlf-ecdef8d2-100.html

Wer sich näher mit der Arbeit von Milo Rau vertraut machen | auseinandersetzen will, dem empfehle ich die Beschäftigung mit dem Komplex Kongo-Tribunal.
Da ist etwas gelungen. Da hat sich – sichtbar, meßbar – was zum Besseren verändert und geht weiter in der Entwicklung. Durch Praxis vor Ort und dann weitertragen, zusammen mit Leuten von dort. Klar und unverkitscht.
° ° °

ab 28.5.24 Genossin Sonne in der Kunsthalle Wien
https://www.festwochen.at/genossin-sonne

Ankunft in Berlin. Roter Späti unter blühenden Lindenbäumen.

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interesting

Oliver Koerner von Gustorf über Malerei von Eliza Douglas, eine dauernd gelangweilte, gereizte und süchtige Welt, die zeitgenössische Hazel-Arbeit, das Dilemma der Kunstkritik
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31.5.24
Thomas Heise ist gestorben.

traurig

Hätte gerne noch länger mit ihm in irgendwelchen Kommissionen rumgehockt .

bißchen abweisend, schüchtern, kauzig und sehr lustig. Herr Heise

Großer Filmemacher.

mehr:
DLF Zwischentöne 9.2.20

Material, Film 2009

https://www.filmdienst.de/artikel/67100/thomas-heise-uber-material

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Kritik

Negative Criticism

By Sean Tatol – founder of „The Manhattan Art Review“

published by thepointmag (July 19, 2023)

I’m an art critic. Most of my writing is on my website, the Manhattan Art Review. Probably the most distinctive feature of the site, and certainly the most divisive, is the “Kritic’s Korner” section, which uses a rating system of one to five stars. I originally intended the section to be an afterthought: quick reviews with the rating acting as a shorthand for my reaction. Five stars is as good as it gets (at the time of writing I’ve given ten five-star ratings out of roughly eight hundred reviews, and six of those have been for historical shows), four is an unconditional success, three is indifferent, two is an unconditional failure, and one star signifies something I found personally offensive. But I quickly realized that my habits were more suited to going to galleries every week than to working regularly on longer pieces, that there weren’t very many shows I wanted to write about at length, and that a regular stream of blithe, off-the-cuff reviews would attract more attention than intermittent longer essays. I’ve ended up writing ten or more reviews every week more or less consistently since November of 2019, minus the COVID-19 lockdowns and a couple of summer breaks.

All of this could sound like a rather obvious format to anyone familiar with Letterboxd, but it’s a disruption to the prevailing norms of art writing. One big reason that art criticism has always been a comparatively marginal practice—putting aside for now the special difficulties of writing about visual objects—is that there’s no market for the kind of quality-based reviews that have long proliferated for other kinds of cultural objects. Film, music, food and book critics write for a general public that can be swayed to spend their money one way or another, whereas the general public cannot afford to buy the art that is written about in Artforum. Critical discourse and consensus do have some limited correlation with the art market, but a good review generating a lot of foot traffic for a show is not at all guaranteed to generate income for artists and galleries—and, broadly speaking, participants in the art market mostly see critics as a threat to their investments. There’s no clear economic reason for art criticism that is not glorified public relations to exist, and so it barely does. But while art is an extreme case in this regard, it’s also a leading indicator: as a defender and judge of quality, the critic is an endangered species in many industries these days. This wasn’t always the case.

Addison could make quite a thing of it. Imagine how snide and vicious he could get and still tell nothing but the truth.
—Eve Harrington, All About Eve

For much of the twentieth century the critic constituted a compelling, if semi-sinister, literary stereotype. The critic was the decadent cynic who, having long since dissipated their capacity for artistic pleasure, used their rhetorical skill to manipulate popular taste for personal gain or idle sadism. These characters range from stock figures to outright parody: All About Eve’s Addison DeWitt, Basil Valentine in The Recognitions, even Statler and Waldorf on The Muppet Show. In common usage the critic and the cynic are nearly interchangeable terms: by one definition, courtesy of Merriam-Webster, a critic is “one given to harsh or captious judgment,” while a cynic is “a faultfinding captious critic, especially one who believes that human conduct is motivated wholly by self-interest.” The difference is mainly that the cynic believes selfishness is inescapable. That may seem a small distinction, but it already contains within it the existential question that any critic must put to himself: Is criticism nothing more than sophistry motivated by self-interest? Or does the critic have a role to play in helping us make “better” judgments about art?

Naturally, such a question is fallacious, as if the matter could be settled by a straightforward yes or no. For example, in the above quote, Addison DeWitt, by proxy of Eve, is manipulating another character, Karen, to go along with his scheme to make Eve a star. In threatening to blackmail Karen, he threatens to tell the truth about her misdeeds in his column. DeWitt is a malicious character, but he is not a hack. There is never any suggestion he is anything less than an actual expert on theater. It is, in fact, the thoroughness of his expertise that enables his corruption. After all, although DeWitt connives to make Eve a success, he does so because he knew she was worthy of stardom in the first place. That’s what makes it a great movie; Eve dethrones her idol Margo Channing by a calculated betrayal, but the result is not a complete injustice. The theater is simply a den of snakes, and backstabbing is the law of the land. This image of the critic may seem less than flattering, but at least it concedes that the critic’s social standing, however misused, is grounded in the possession of perceptual skills that are of cultural value. At present, even that allowance is no longer certain.

As Hegel defines it: “Thinking is, indeed, essentially the negation of that which is immediately before us.”
—Herbert Marcuse, “A Note on Dialectic”

Today the mere suggestion that some things are better than others, particularly in the arts, is met with confusion and hostility. The insistence that there is no reason not to “let people enjoy things” reigns, as if evaluation itself can be nothing but an act of antisocial pretension. There is, admittedly, a fragment of truth in this. I know very well the dangers that criticism can pose to enjoyment: I was born a pathological overthinker, neurotic and hard to please. For years I nursed vague artistic aspirations, but it turns out that obsessively thinking about art is a bad way to become an artist. Thinking about a movie or a piece of music while it plays is a mental digression, a self-awareness of the act of experiencing that pulls one out of the act of seeing and listening. Conversely, making art is an activity. Artists think, of course, but thinking of what to draw and drawing are two different things. Someone can stare at a canvas all day, thinking about painting, but they’re only a painter if they put some paint on it; whether it’s any good is a question that comes later.

Being stuck in thought negates engagement and enjoyment, so it’s natural that we approve of art as the product of courage and creativity and distrust criticism as so much foul-tempered grumbling. This criticism of criticism inevitably emphasizes that art is subjective, which, according to experience, it is. No two people will have the same exact experience of a work of art. However, to treat art as completely subjective represses the role that thinking plays in our subjective experience, and in particular the process of judgment (which is part of our experience). Once we make any judgment at all we are aspiring to be objective, or at least correct, to the best of our knowledge. This objectivity may not be fully achievable, but if we are to think critically, or at all, the attempt is necessary. It is plainly impossible to approach the world without making judgments: anything from choosing friends you can trust to picking out a ripe orange requires a differentiation of qualities we learn to recognize through experience. Art and media are no different. A toddler will tend to prefer The Very Hungry Caterpillar to Moby-Dick, subjectively, but a twenty-year-old should be able to discern that the latter is an objectively better work of literature, even if they may not go so far as to agree that Herman Melville is better than Harry Potter.

Of course, today’s twenty-year-old is certainly less likely to read Moby-Dick, especially if no one has ever made the case to them that it’s a better or more important book than others that are more accessible and “fun.” This underscores the subtext of “letting people enjoy things.” Refusing negative criticism is not only an instinctive rejection of negativity itself, but also a preemptive defense against the notion that anything strange, antique or otherwise difficult may be of more value than what is familiar, popular or easy.

Another implication of subjective absolutism, alongside the insistence that no one should feel guilty for their “guilty pleasures,” is that these guilty pleasures are the only real pleasures. This means that no one actually likes philosophy, or movies with subtitles, or boring old books like Moby-Dick. The upshot being that, culturally speaking, the arts have been demoted to the level of “media,” recreational content intended for unreflective consumption. What more could one desire than another Marvel spectacle?

Just how vacuous the formal objection to subjective relativity is, can be seen in the particular field of the latter, that of aesthetic judgments. Anyone who, drawing on the strength of his precise reaction to a work of art, has ever subjected himself in earnest to its discipline, to its immanent formal law, the compulsion of its structure, will find that objections to the merely subjective quality of his experience vanish like a pitiful illusion: and every step that he takes, by virtue of his highly subjective innervation, towards the heart of the matter, has incomparably greater force than the comprehensive and fully backed-up analyses of such things as “style,” whose claims to scientific status are made at the expense of such experience.
—Theodor Adorno, Minima Moralia

It seems unimaginable to us now that Adorno levied his cranky sneer at all of cinema and jazz as inherently vapid commodities, but we have the benefit of hindsight for a future that was impossible for him to predict. Such are the hazards of attempting a critical theory. For someone who worked on a theory of aesthetics from 1956 to 1969, the last years of his life, Adorno was remarkably indifferent to everything that had happened in art after World War II. This relativity of his own perspective to the passage of time is, however, directly relevant to what it means to make serious critical judgments. You either die young and hip or live long enough to become out of touch. There’s no point to living in fear that one’s judgments will age poorly; it’s certain that most of them will. In Adorno’s case, his judgments appeared pessimistic at the end of the twentieth century, but it seems that society has caught up with him in the 21st.

For literature is like love in La Rochefoucauld: no one would ever have experienced it if he had not first read about it in books. We require an education in literature as in the sentiments in order to discover that what we assumed—with the complicity of our teachers—was nature is in fact culture, that what was given is no more than a way of taking. And we must learn, when we take, the cost of our participation, or else we shall pay much more. We shall pay our capacity to read at all.
—Richard Howard, preface to S/Z

I’m well aware that liking Adorno qualifies me as an insufferable crank, but I contend that we are in dire need of more insufferable cranks. As it stands, society has no criterion for intellectual maturity beyond turning seventeen and being allowed unaccompanied into an R-rated movie. At that point, the whole of experience is considered revealed to us. This is, in a word, stupid. 

I tried to read Ulysses when I was seventeen and made it one hundred pages in before giving up. I tried again last year and read the book from cover to cover (though most of the action in “Oxen of the Sun” still escaped me). Being 33 years old had very little intrinsic impact on how I read the book; the important thing was that I’d spent the intervening sixteen years developing as a reader. I also bought three different editions of Ulysses, a volume of annotations, a book of literary essays on each chapter of the book and a very complicated guide advising hundreds of amendments of typographic errors to each edition. I even spent a couple of months distracted from the book itself because I developed an obsession with the blow-by-blow records of John Kidd and Hans Walter Gabler’s “Joyce Wars.” Some may balk at the idea of going to so much effort, but the effort is its own reward. Even though Ulysses is one of the best books I’ve ever read, the pleasure of reading it is but one particular enjoyment within the perpetual appreciation of literature, which itself is an enrichment of one’s relationship to language, thought and life. As Richard Howard puts it, literature, sentiment, enjoyment, even love, require an education.

And this brings us, finally, to the process of becoming a critic, what that means, what it is. As I mentioned, I was drawn to the arts in high school, mostly music. Like (I assume) many teenagers, I intuited an authenticity and a sprawling sense of possibility in artistic expression that I didn’t find elsewhere. I had liked science fiction and video games as vehicles for fantasy and escape, but by the end of my teens I’d begun looking for something deeper in music, film and literature. In retrospect I was driven even then by a critical impulse. I started with the lowest-common-denominator “best of” lists: The 100 Greatest Novels of the 20th Century, IMDb’s Top 250, Rate Your Music’s Top 100. Aside from the few unimpeachable classics, these lists featured works favored by middling taste, but they were invaluable for giving me a framework grounded in a historical consensus of what constituted great art, something apart from an unreflective consumption of the pop-cultural treadmill’s newest products. With that foundation, I was free to sift through history and see what stuck. This is, crucially, not a merely subjective process. Rather, it’s a dialectic between subjective enjoyment and the abstract notion of great art, in whatever form, that is mediated by the work itself. Teenagers, for all their wide-eyed idealism and thirst for mind-blowing novelty, are both entirely ignorant and unbearably pretentious. I wouldn’t have known about A Love Supreme if it wasn’t the number-one album of all time on Rate Your Music when I was sixteen, but by the next year I recall insisting to a friend that John Coltrane was greater than Charlie Parker because I had read somewhere that Coltrane would practice scales for twelve hours a day. The friend, who had some conventional jazz education, was skeptical, as he should have been, because aside from the fact that Parker practiced just as much, I didn’t know what the hell I was talking about. Like most teenagers, I had no ability to make judgments outside of parroting opinions from elsewhere, no sense of the overarching history of the genre or even much ability to listen actively and make my own observations. My affectation of an opinion was laughably overstated, but that’s how one gets started developing an actual point of view.

This is how artistic self-education works today; a young person wants to develop their taste, but they have no framework for judgment except their own meager experience and mostly uninsightful information from the internet. On the one hand, deferring to experience is necessarily infantilizing to someone who has so far only consumed media for children; the mainstreaming of “nerd culture” is the result of society at large attempting to prolong childhood indefinitely. On the other hand, constructing one’s personality around consensus notions of high art is scarcely better, leading to another marginal subculture: the dreaded Reddit music geeks who believe that Radiohead is the greatest band of all time because their albums have the highest aggregated average ratings, or the self-proclaimed film buffs whose understanding of cinema never developed beyond Taxi Driver and Fight Club, rhapsodizing in YouTube vlogs on the profundities of a crane shot or a certain cut ad infinitum. These are two sides of the same coin, an ignorant versus a pretentious philistinism. The only means to bridge them is intelligence. The concept is as fraught as any, but by invoking it I don’t mean any kind of inherent superiority or quantifiable IQ. I mean rather the emergence of sensibility, sensitivity and a distinct personal taste, which are indistinguishable from the slow development of intellectual maturity.

Intelligence does not emerge by rote, or else pretentiousness would be enough. The value of the arts is the capacity to teach intelligence by learning to perceive intelligence, which is itself the content of art; the expression of perceptivity in whatever form. To return to my own education, I ravenously absorbed as much music, film and literature as I could, mostly superficially. My desire to expose myself to everything I was led to believe was good outstripped my patience with the slow development of my ability to understand, let alone enjoy, much of it. This wasn’t an ideal process, and it is probably what doomed me to criticism. It killed whatever intuitive, creative feeling I had (not much, I suspect) in favor of an abstract, detached tendency to think about and analyze art. At the same time, that labor created a discipline and taste for expending effort that eventually became second nature.

There is no happiness other than that of intelligence. I think people like Rousseau, Montaigne, Diderot all attained it.
—Marguerite Duras, “I Thought Often…”

From all this exertion a sort of sense begins to emerge, if not quite a logic. Kerouac is thrilling to teenagers, so, having been thrilled by his writing, you follow his example and seek out his favorite authors, other Beats, Buddhist texts. None of it matches the hormonal rush of On the Road, but some of it is enjoyable, some impenetrable but suggestive, some boring or off-putting. The process repeats, finding an artist whose sensibility seems appealing and who suggests other points of discovery. But a good critic can also be invaluable here, because such recommendations are part of their job. Unlike the compilers of the Top 100 lists, a critic is defined by their taste instead of any consensus or canon, although these are not completely separable. The point is not for the reader to fully subjugate their own judgment to the critic’s, but to recognize and respect that the critic’s sensibility represents some understanding of the scope of their subject, albeit in a contingent, individualized way. Take the first critical voice I really liked: the music critic Robert Christgau, best known for his tenure at the Village Voice from 1969 to 2006. Christgau is probably my most direct critical “influence,” even though I disagree with plenty of his opinions. What compelled me was his ability to articulate more in a couple of pithy sentences than I was used to reading in thousands of words of Pitchfork reviews.

Christgau was able to convey so much so economically, I suspect now, because of his ability to make judgments that were both coherent and convincing, according to standards he had developed in dialogue with a broader canon. The common music-writing formats of pop-culture hagiography, technical and aural descriptions, the “trip report” method of talking about ambient music that was popular on Blogspot in 2010, heinous creative-writing attempts from Tiny Mix Tapes—none of it serves to articulate whether a song is good or not, or how it compares to other songs that might appear superficially similar. Ironically, the line of Christgau’s that has stuck with me the most is one I’m not entirely sure he wrote; I’ve never been able to find it, but it sounds so much like him that I can’t believe that it was anyone else. The line is: “Sonic Youth is the least vocally gifted band since the Grateful Dead.” It’s a mundane statement in retrospect, and maybe not even that witty, but it’s a good example of what he impressed upon me as a college student: a mature perspective on popular music that synthesized a conception of the subject as a whole and allowed for those leaps of logic and reference that I found exciting. The value of these judgments is not in their being absolutely right or wrong, but in the way they crystallize the critic’s sensibility. As the title of Christgau’s Consumer Guide books attest, they also offer the reader an informed suggestion of how they might be advised to spend money and attention in the process of building their own taste.

You couch so much of this in terms of your individual response and the individual creativity of the people making the music—what I say is that all art, even arty-art, high art, which is really the kind of art you’re interested in, whether you like it or not, is dependent on a social context. And if the social context dries up, so does the art.
—Robert Christgau, from a conversation with Gerard Cosloy and Joe Levy in SPIN, 1989

Now, I write art criticism, but I haven’t yet talked about visual art. It doesn’t dominate when I think about art in general, probably because I’ve spent less of my life thinking about it. I was only introduced to art in a more than historical sense in my mid-twenties, so I never had a direct immersion in the art world, which is the only way to really engage with it, until I was already writing about it. I’ve probably learned more about contemporary art in the past three-odd years, since I started writing the Manhattan Art Review, than I knew going into it.

The discipline of art, even as a viewer, is rarefied and particular to itself. It’s hard to access, for one thing. Even if you’re a dedicated gallery- and museumgoer living in one of the few major cities where visual art is readily available, standing in front of specific artworks is still only a small part of one’s relationship to art. What occupies the rest of the relationship is thinking about it: flipping through catalogs and reading biographies, essays, criticism, art theory and artists’ writings. All this is part of the process of refining one’s thoughts about art at a remove from the art itself, and therefore part of the preparation for viewing. It’s in this sense that visual art is particularly tied to criticism; judgment and discrimination are essential to putting the experience of art in motion. It’s rare for an art lover not to engage critically with art at some level.

The disappointment of bad art is its inability to be anything more than what was expected, whereas one of the greatest pleasures of art—and one of the few well suited to the critic—is when it proves to be more than what was suggested by your preconceptions or by the small photo you could make out on your phone. In this sense, looking at art and, by extension, criticism, is a realization of that dialectic between subjective experience and the formal criteria of judgment. A critic who is hardened against having their perspective altered by experience has become staid and dogmatic (as has often, perhaps inevitably, been the fate of opinionated critics like Adorno, Clement Greenberg and Michael Fried), but a critic with no knowledge of art has no means of thinking about their experience in the first place.

Art criticism is not a document of experience: this green wowed me; that box filled me with awe; that figure reminded me of my mother; I cried. Those experiences are as singular and impossible to translate as art itself. Criticism is, rather, the documentation of thinking about art, and particularly about an artwork’s success or failure. A critical judgment may age well or poorly, but the value of these judgments is not in whether they are right or wrong. After all, judgments are never objectively true for all time. Artistic reputations have long risen and fallen in ways that seem ridiculous to us now: Bach was obscure in Beethoven’s day; Piero della Francesca was incompatible with the Victorian sensibilities of Ruskin’s generation, just as Jacques-Louis David and Ingres are off-putting to mine.

A critic’s sensibilities should not be held to a standard of infallibility but to their internal coherence, which is necessary for the value of criticism: to be eloquent and perceptive, to convey with intelligence the value the critic sees in art. Good writing about art serves to elevate and enrich the experience of good art and to clarify the inadequacies of bad art, to put words to the nonverbal aesthetic language that the critic has built. More particularly, a critic’s recognition of artistic quality does not simply put art into words but brings new qualities into being. The subjectivity of art extends beyond the artist’s own intentions, so a critic can discover new ways of seeing art in their criticism in the same way that artists find new ways of seeing the world in their art. This is easiest to conceive of regarding art history: we can see now how della Francesca’s geometric rigor foreshadows tendencies that would be taken up five hundred years later with minimalism, and Monet probably would have been bewildered by Greenberg’s writings on his paintings scarcely thirty years after his death. On less grand but more useful terms, artistic quality is never given; it has to be found, fought for and defended. This is the critic’s fight.

For [Daniel Joseph Martinez’s] 2022 new work, he photographed himself in the (prosthetically enhanced) guise of five pop-cultural “post-human” antiheroes including Frankenstein, Count Dracula and the Alien Bounty Hunter from “The X-Files.” But what makes the piece gripping is a statement that accompanies the images, a scathing indictment of the human race as the earth’s “ultimate invasive species,” one that’s about to self-destruct and take every other living thing down with it.
—Holland Cotter, “A Whitney Biennial of Shadow and Light,” New York Times, 2022

Criticism may be unpopular with the public these days, but what’s even more disturbing is how it has fallen out of fashion with critics themselves. The above is taken from Times art critic Holland Cotter’s indicative review of one of the most indicative art exhibitions in recent memory, the 2022 Whitney Biennial. From Cotter’s perspective, any work that gestures toward a political moral is considered a success as art for invoking that moral. So Daniel Joseph Martinez takes some self-portraits in monster makeup and we are told it is “gripping” because the artist calls them a commentary on human destructiveness. This art presents a platitude that the New York Times considers good, therefore the art is good. Cotter is certainly making a judgment. But the circular logic he employs to justify that judgment negates art itself in favor of generic sentiments, denying engagement with the particular qualities of an artwork that make artistic judgments meaningful in the first place.

The problem is not political art or “wokeness” as such, but rather with the way that treating activist slogans as sufficient criteria for good art—and any artist who peddles those slogans as an adequately accomplished artist—dismantles the function of art: the struggle toward expression, to eloquently articulate qualities that are beautiful, emotive or otherwise engaging. The problem is with a way of seeing that reduces art to a resolved formula, when in fact it is precisely the opposite. Art is actually always about insufficiency, the personal desire to achieve something greater than what is possible, to capture the universal in the particular. Just as objectivity is an elusive ideal of thought, art aspires to an impossible, singular finality, whether in a painting of an apple in all its appleness, an assemblage that fully resembles nothing but itself, or an abstraction that shows the face of God. These goals are unrealizable as absolutes, but nevertheless artistic quality comes from this aspiration. Art cannot be “the sublime,” but it can be sublime, just as a painting cannot be an apple, but it can suggest appleness.

The assertion of art’s insufficiency may seem out of left field, but it points back to the concept of learning and growth that I’ve been attempting to flesh out. Another term for this could be cultivation, as in becoming “cultured,” which underscores its social dimension. Individuals are, of course, implicated in their sociocultural context, which informs and directs their own development. New things, old things, art, historical information and so on, the things we learn from, are cultural products that are undetermined by our individual relationship to them. Subjective intuition, too, plays a role in the instinctual attraction and aversion to specific things, but in the same way that no one becomes a master chef without instruction, these outside influences are the primary means of our cultivation.

Moreover, as one can gather from pseudo-Dionysius, good radiates itself and existence. So what makes a thing good is what makes it radiate. Now radiating is a kind of activity, and substances act by way of powers; so things are called good because of something added to their substance. Being good then adds something real to existing…
—Thomas Aquinas, Quaestiones Disputatae de Veritate, 21.1

RUTE MERK – XP – TARA DOWNS – *
A woman in an Arc’teryx jacket holding the Wikipedia logo, two paintings of matcha lattes, fruit, flowers, etc., all painted in an imitation of PS2 graphics that doesn’t look impressive or appealing regardless of the technique required, but I’m not under the impression it’s particularly demanding either. Oh, she’s collaborated with Balenciaga? Say no more, I knew this pretentious, gutless, commodified rehash of Berlin from ten years ago reminded me of something.
—Manhattan Art Review, May 2023

In the contemporary context, becoming cultured requires a resistance to the prevailing culture, and could ironically be considered countercultural. Nevertheless the pursuit remains necessary, and perhaps even unavoidable, because it is intrinsic to our nature. Cultivation is the growth into a distinct individuality by means of culture, an understanding of oneself and the world that always seeks to more fully encompass this understanding, a knowledge of life, an intelligence. This aspiration reaches toward an absolute, an omniscience that is both desired by and denied to humans: something I might call God if I were religious, but that for our purposes we can call the good. This good is something we can only put ourselves in service to. Good art, by extension, is good by its achievement of the good, a channeling of an external sense of life into an artwork. Good criticism seeks to recognize this good in art as much as it can. 

The process of learning to discern what separates the truly good from the seemingly good, and the failed attempts at the good from the irredeemably bad, does not follow rules. It cannot be learned like a scientific formula. In a society that has seen a universal decline of the cultural institutions that should exist to edify it, many will not even know that it is a process, or that there is any point in subjecting oneself to it. In this context it becomes doubly important, for the sake of culture as well as for one’s own good, to judge the differences between good and bad, the real, authentic and profound versus the shallow, the crassly commercial and the uninspired. 

My own work with the Manhattan Art Review aims to do this, attempting as best I can to discriminate between artworks that possesses good qualities and those that lack them. Even though some might deem it unsophisticated or needlessly provocative, the rating system in Kritic’s Korner is central to this project. Writing about art can have any number of objectives, but lurking behind any analysis is the question of judgment. Most contemporary art writing uses interpretation as a way of sidestepping the problem of quality, but interpretations are impossible to take seriously if the art itself is bad. A critic who avoids evaluation may have a less contentious body of work; perhaps they will protect themselves from ever saying anything that will sound embarrassing to future generations. The cost is that they won’t be able to help their readers learn how to judge art or to understand it, which are in essence the same thing. In my judgments of particular art shows I convey my understanding of art, or of good art, which I can only hope is of some use to others interested in developing their own taste. The goal of the Review has been to provide a quixotic counterweight to the prevailing conventions of art and commentary about art, which might otherwise, in their greed, indifference and literal-minded sloganeering, counsel cynicism.

When I was younger and wanted to be an artist, my awareness of mature art made my immature attempts at creativity intolerable to me. Unlike young artists who unselfconsciously develop a sense for working before gradually refining it, I couldn’t stand the idea of not making good art immediately, so I resolved to try to understand art as best I could before I started to make it. My method didn’t pan out artistically, but I learned that thinking about art is its own discipline. After years of putting self-education above all else, I came into my own kind of maturity as an observer. Far from implying any lofty or profound genius, what I mean by maturity is only a familiarity gained through experience with the cycles of art and life, learning to slow one’s overbearing urge to consume everything while developing routines whereby the effort to, say, read philosophy ceases to be a chore and becomes a pleasure. Likewise, the task of learning about art only deepens with experience; instead of scouring the archives in an effort to find an objectively correct position, the point becomes expanding the understanding of an artist’s work as you become familiar with them, which widens your conception of art generally. Whether or not the criticism I write now is of any lasting value is not for me to say, but personally my engagement with art is its own reward, a self-perpetuating, inexhaustible exercise of effort and attention, which in the end is, I suspect, as close as I am able to come to the satisfactions of making art.

Artists never complete a single, perfect artwork, and a single work never instigates an absolute transcendence in viewers. We may aspire toward this quasi-theological ideal, but art only has the ability to suggest the sublime. The real sustenance of the artistic is the scope of experience it provides, the cumulative sense of growth and cultivation of ourselves through art, a tendency toward a good that we can never capture but only assist in radiating itself and existence.

Art credit: (1) Rafael Delacruz, Don’t sleep while we explain, oil and cochineal on canvas, 77½ × 144 in, 2022; (2) Rafael Delacruz, Human Audio Sponge, oil and cochineal on canvas, 27¼ × 30⅛ in., 2022. Courtesy of the artist and Mitchell-Innes & Nash.

Negative Criticism | The Point Magazine

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Kritik Material

Vom P-Wort. Der Positionsbegriff im Jargon der Kunstkritik

Von Tom Holert

Erschienen in Texte zur Kunst, Heft Nr. 45 / März 2002

Sigmar Polke, "Schimpftuch", 1976

Sigmar Polke, „Schimpftuch“, 1976

Der Begriff der „Position“ scheint eine Art Generalaufhänger für jedwede Art von Kunst geworden zu sein. Es gibt wohl kaum einen Künstler/eine Künstlerin, die/der sich nicht mit diesem Begriff konfrontiert sehen würde oder ihn für sich in Anspruch nähme. Schnellere Subsumtion, kuratorische Wendigkeit und journalistische Handhabung spielen bei diesem Platzhalterwort Hand in Hand. Eine kleine Begriffsanalyse rät dazu, endlich Abstand von ihm zu nehmen.

„Sooner or later the artist is implicated or devoured by politics even without trying. My ‚position‘ is one of sinking into an awareness of global squalor and futility.“

Robert Smithson, 1970 [1]

Seit vielen Jahren ist das Wort eine Lieblingsvokabel der deutschsprachigen Kunstkritik und der Prosa hiesiger Kunstinstitutionen: ‚Position‘. Mal werden „dekonstruktivistische Positionen in Architektur und Kunst“ verhandelt, dann wieder „klassische Positionen wie Hans Arp, André Derain …“ Man „versammelt Positionen“, zum Beispiel: „Positionen zeitgenössischer Kunst aus Berlin“ oder „Positionen des Informel“. Am Ende geht es oft um „vermisste Positionen“, wenn nicht gar um „Positionen zum Ich“. [2]

‚Position‘ ist nicht der einzige Begriff, der sich im Kunstjargon festgesetzt hat und über den nachzudenken sich vielleicht lohnen würde. Vieles könnte man etwa über ‚Strategien‘, ‚Ansätze‘, ‚Situationen‘, ‚Projekte‘, ‚Inszenierungen‘, ‚die Arbeiten von …‘ oder durch Künstler/innen oder Kurator/innen ‚bespielte‘ Räume sagen. Im mehr oder weniger gepflegten Kunstdiskurs aber hat sich besonders die ‚künstlerische Position‘ zu einer Universalfloskel entwickelt, die wohl ihresgleichen sucht. Nicht nur die Hartnäckigkeit, mit der die rhetorische Flucht in die ‚Position‘ angetreten wird, auch die Tatsache, dass es sich offensichtlich um eine Spezialität deutschsprachiger Texte und Gespräche zur Kunst handelt, ist aufschlussreich. Das fällt besonders auf, wenn in entsprechenden englischsprachigen Verlautbarungen von „artistic positions“ geredet wird: Entweder handelt es sich um verzweifelte Übersetzungen einer eigentlich unübersetzbaren Vokabel, oder der englische Text versucht sich auf diesem Weg die Allüre deutscher Kunstprosa-Tiefsinnigkeit (mit einem Schuss Derrida [3]) zuzulegen. [4]

Was eine solche ‚Position‘ alles sein kann, entscheidet sich im Zusammenhang und im Gebrauch. Mit „Unterstützung der Deutschen Städte-Reklame GmbH“ ist es möglich, ‚künstlerische Position‘, Medium und Sponsoreninteresse zu verbinden – einfach, indem man versucht, „auch dem für die künstlerische Position und das gewählte Medium so bedeutsamen Aspekt der Distribution gerecht zu werden“.

Bisweilen ist die ‚künstlerische Position‘ mit der Künstlerin identisch („Wie keine andere künstlerische Position thematisiert Sophie Calle [1953*] in ihrem umfangreichen und vielschichtigen Œuvre die Auflösung traditioneller Vorstellungen von Identität“, findet eine Kunstpreisjury); dann wieder setzt sich die wandelbare ‚Position‘ aus verschiedenen Faktoren zusammen, wie z.B. bei Piero Manzoni, der in „vielen Ansätzen und Formen gearbeitet und seine künstlerische Position immer wieder verändert“ hat. Und Beuys?, will man da fragen: „Beuys stellt durch seine radikale Erweiterung des Kunstbegriffs eine künstlerische Position der Gegenwart dar.“ Zudem lässt sich sagen: „Elvira Bachs künstlerische Position gleicht mittlerweile der einer Institution.“

„Institution“ ist ein gutes Stichwort im Kontext einer Kritik dieses Jargons der ‚Position‘. Wie sich zeigen wird, kündet die Rede von der ‚künstlerischen Position‘ zum einen von einem besonderen Kriteriendruck, der auf denen lastet, die für sich beanspruchen, in angemessenen Phrasen über die Phänomene und Akteure der Kunst zu berichten; zum anderen ist die Rede von der ‚künstlerischen Position‘ das Produkt einer doppelten Bewegung von theoretisch begründeter Kritik an bestimmten Denk- und Herrschaftsmustern und einem gegen ebendiese Kritik gerichteten ideologischen Kalkül.

Dabei spielen die Institutionen des Kunstbetriebs für die begrifflichen Bewegungen und Gebrauchsweisen eine entscheidende Rolle. In ihrem Interesse liegt es, Kategorien wie ‚Position‘, ‚Werk‘, ‚Thema‘ und ‚Künstler‘ kontinuierlich gegeneinander zu verschieben und zueinander in Beziehung zu setzen. Akteure innerhalb der Institutionen (oder diesen angegliedert) sind im Wesentlichen Kurator/innen, Kunsthändler/innen, Sammler/innen, Kritiker/innen und Meta-Künstler/innen [5]. Sie entwerfen und verwalten Strukturen von ‚Positionen‘, die hierarchisch in Hinsicht auf den Erhalt (oder den Gewinn) einer hegemonialen Kunstordnung aufgebaut sind. Um als Künstler-Individuum in diesem Kampf bestehen zu können, muss man sich zur ‚künstlerischen Position‘ vorarbeiten oder sich einer solchen, von anderen definierten ‚Position‘ anschließen. Kunsthochschulen und sonstige Ausbildungsstätten werben mit dem pädagogischen Anspruch, „dass jeder eine eigene künstlerische Position entwickelt und in seiner (…) Arbeit umsetzt.“ In Selbstaussagen angehender Künstler/innen finden sich Formulierungen wie: „In der Möglichkeit, herrschende Auffassungen für mich abzulehnen, habe ich die Fähigkeit gewonnen, mich und meine künstlerische Position zu begreifen und immer wieder neu zu finden. Beides ist nicht voneinander zu trennen.“

Ohne ‚Position‘ wird’s schwer.

Jörg Immendorff, "Wo stehst Du mit Deiner Kunst, Kollege?", 1973

Jörg Immendorff, „Wo stehst Du mit Deiner Kunst, Kollege?“, 1973

1. SEMANTISCHE ERNEUERUNG

Die Verwendung des Ausdrucks ‚künstlerische Position‘ richtet eine kunstterminologische Zone ein, die für Außenstehende nicht ohne weiteres zugänglich ist – so sehr scheint er eine esoterische Spezialität des Sprachspiels deutscher Kunstbetriebsamkeit zu sein. Auf Einverständnis setzend wird ein Kreis von Eingeweihten angesprochen. Aber in der eigentümlichen Weise, wie es im Jargon zirkuliert, findet dieses Formulierungsereignis außerhalb der Zeitschriften, Kataloge und Vortragsveranstaltungen kaum (oder überhaupt nicht?) statt. So zeigte eine Kurzumfrage unter Bekannten, die eher selten mit Kunsttexten in Berührung kommen, wie resonanzarm die Rede von der ‚künstlerischen Position‘ außerhalb des künstlerischen Feldes ist.

Dass die Wahl von Künstler/innen, Kritiker/innen, Kurator/innen, Kunsthistoriker/innen auf das P-Wort fiel, ist nicht allein mit einem Interesse an Aus- oder Abgrenzung zu begründen. Zum einen handelt es sich um die Folge theoretischer Notwendigkeiten. Jeder Text, in dem ‚Positionen‘ auftauchen, verwirft implizit verbrauchte oder falsche Begriffe – oder drückt sich um sie herum. Besonders der Bezug auf das individuelle, auktoriale Künstler/innen-Subjekt wird mit dieser Sprachregelung umgangen. Aber auch benachbarte Begriffe wie ‚Stil‘, ‚Stellung‘ oder ‚Haltung‘ werden zur Disposition gestellt, wobei man mitunter versucht, das Überleben dieser älteren Termini im Umfeld des P-Worts zu sichern, etwa in Titelwort-Kombinationen wie „Positionen – Haltungen – Aktionen“.

Stilbezeichnungen sind in Misskredit geraten, weil man ihnen dogmatische Vereinfachung und Reduktionismus unterstellt. ‚Positionen‘ scheinen ‚präziser‘ (auch so ein Wort …) zu adressieren, was in großräumigen Stilkategorien ansonsten verloren ginge: individuelle Interpretationen eines Stil-Paradigmas, den subjektiven Faktor, das inkommensurable künstlerische Ereignis.

Auch das Wort ‚Haltung‘ wirkt wie ein semantisches Fossil oder zumindest wie eine Idiosynkrasie des deutschen Künstlerdiskurses. In einem Interview mit Georg Baselitz fiel dem US-amerikanischen Kritiker und Kurator Henry Geldzahler auf, der Maler verwende „the word ‚position‘ in a way that I’m not used to.“ Darauf Baselitz: „I mean ‚position‘ in the sense of attitude. An attitude that one assumes on a demonstrative act …“ [6] Noch in den achtziger Jahren rangierte auch unter jüngeren deutschen Künstlern die ‚Haltung‘ noch vor den jeweiligen ‚Arbeiten‘.

Als Person und Werk noch im idealen, existenziellen Einklang gedacht wurden, mag es nahe gelegen haben, eine moralische und ästhetische ‚Position‘ im Künstler/innen-Subjekt zu behaupten. Diese Strategie aber gilt inzwischen als überholt. Die Kritik der Mythen von Autorschaft und Authentizität haben dem Geraune von der individuellen ‚Haltung‘ seine weltanschauliche Grundlage entzogen. Manchmal hallt in ‚Haltung‘ das semantische Geschützfeuer von ‚Engagement‘ und ‚Courage‘ nach, die Vorstellung von jemandem, der kerzengerade einsteht – für eine Sache, für eine Überzeugung, für die Freiheit der Kunst. Aber eigentlich will davon, abseits alkoholisierter Künstlerkneipengespräche, gegen die im Prinzip nichts einzuwenden ist, niemand mehr etwas hören. Zu sehr erinnert der Mythos der ‚Haltung‘ an die Selbstgefälligkeiten, die mit ihrer demonstrativen Zurschaustellung (zu) oft verbunden waren.

‚Position‘ scheint da den Vorzug größerer Neutralität zu besitzen. Das Wort hat einen seiner vielen historischen Ursprünge im Diskurs der Veranstalter von Konkrete-Poesie-Festivals oder gemäßigten Neue-Musik-Avantgardismen der sechziger Jahre. Es klingt ein bisschen wie aus der mathematisch-naturwissenschaftlichen Sprache entlehnt – nüchtern, unsentimental, kybernetisch. Andererseits zeugt eine ‚Position‘ – und hier macht sich eine andere semantische Quelle bemerkbar, nämlich die Sprache von Militärstrategen oder rechten Staatstheoretikern wie Carl Schmitt – auch von kunstevolutionärer Stabilität und Entschiedenheit. Anders gesagt: Dem Gebrauch der Vokabel ist ein gewisser Dezisionismus nicht fremd. Erst wenn ein einzelnes ‚Werk‘ zur ‚Position‘, eine Künstlerin oder ein Künstler zur ‚künstlerischen Position‘ gereift sind, können sie Geltung beanspruchen, haben sie sich auf dem historischen und sozialen Feld der Kunst bewährt.

Künstlerporträts aus: "Deutsche Kunst: eine neue Generation" von Rolf-Gunter Dienst, 1970

Künstlerporträts aus: „Deutsche Kunst: eine neue Generation“ von Rolf-Gunter Dienst, 1970

2. DER IDEOLOGISCHE KNIFF

Dann wieder scheint der ‚Positionen‘-Rhetorik, wenn sie sich nicht der Begriffe von ‚Haltung‘ oder ‚Reife‘ bedient, alles Energische abzugehen. Von ‚künstlerischen Positionen‘ zu sprechen, verrät in solchen Fällen ein eher tastendes Temperament, Gewissenhaftigkeit im Umgang mit den Komplexitäten des Kunstsystems. In diesen Fällen tritt der Begriff als Ausbund an Behutsamkeit und Genauigkeitsbemühung auf, verbreitet das Preziös-Nebulöse der ‚Position‘ und der ‚Positionen‘ in Katalogtexten, Ausstellungseröffnungsansprachen, Kunstmessegesprächen und Feuilletonartikeln das para-philosophische Parfüm des zugleich Distinguierten und Exakten. Aber könnte es sein, dass gerade dieser Eindruck eines vorsichtig-gequälten Bemühens um Genauigkeit auch ein raffinierter ideologischer Kniff ist? Und wenn dem so sein sollte: was verbirgt dieser Kniff?

Die Rede von der ‚künstlerischen Position‘ ist nicht zuletzt ein ideologischer Reflex auf veränderte diskursive und ökonomische Verhältnisse in der Gegenwartskunst.

Als Symptom eines Restrukturierungsprozesses, der das Konzept der Autorschaft aus unterschiedlichen Beweggründen abwertet, hat das positioning system des Verbundes aus Kunsttheorie, Kunstgeschichte und Kunstkritik besonders im Bereich kuratorialer Entscheidungs- und Planungsprozesse wichtige Navigationsdienste übernommen.

Beispielsweise funktioniert es hervorragend im Interesse einer globalen Ausstellungspraxis, die auf die eine oder andere Weise mit dem Problem der individuellen Künstler/innen-Subjekte zurande kommen muss. Denn diese erweisen sich in der Empirie immer wieder als kompliziert, inkohärent und unkalkulierbar. ‚Künstlerische Positionen‘ hingegen lassen es leichter erscheinen, von realen Personen zu abstrahieren. Nachdem man sich deren empirischer Widerständigkeit entledigt hat, kann man sie umso flexibler miteinander ‚kombinieren‘. Allerdings verschwindet in diesem Prozess die Person mit ihrem Eigennamen nicht restlos hinter der ‚künstlerischen Position‘. Das kann für die institutionellen Akteure auch von Vorteil sein: Im Zweifelsfall, etwa wenn sich die ‚künstlerische Position‘ beim Publikum, bei den Medien oder am Markt nicht verfängt, lässt sich der Mensch in seiner auratischen Einzigartigkeit wieder aktivieren.

Die Steigerung der Verfügbarkeit von individuellen (mitunter auch kollektiven) Produktionen und Produzent/innen im Sinne einer Topografie der ‚Positionen‘ entspricht einem strategischen Denken, das auf den Abbau von Reibungsverlusten und ‚ineffizienten‘ Mustern von Subjektivität setzt. Dieses modulare Verfahren, das sich auf die Passförmigkeit und Anpassungsfähigkeit der reinen Konstruktionen – die ‚künstlerische Positionen‘ ja darstellen – verlässt, ähnelt wirtschaftlichen Konzepten des Outsourcing, der Just-in-time-Produktion, des ‚Humankapitals‘ und der Umwandlung von Angestellten in Sub-Unternehmer. Die Produktion von Kunstereignissen bedient sich im Pool der ‚Positionen‘, und dessen Pegelstände sind um einiges leichter zu kontrollieren als die Psychologien der einzelnen Kulturproduzent/innen. Der zur ‚künstlerischen Position‘ geronnene ‚Autor‘ ist reiner Text. Er lässt sich beliebig um- und fortschreiben.

Künstlerporträts aus: "Deutsche Kunst: eine neue Generation" von Rolf-Gunter Dienst, 1970

Künstlerporträts aus: „Deutsche Kunst: eine neue Generation“ von Rolf-Gunter Dienst, 1970

3. DIE STRUKTURELLE INDIVIDUALITÄT DER ‚KÜNSTLERISCHEN POSITION‘

Natürlich ist das nicht die ganze Geschichte (was die Angelegenheit erst richtig interessant macht). Die diskursive Erfindung der ‚Position‘, insbesondere der ‚Subjekt-Position‘ und, in weiterführender Präzisierungsanstrengung, der ‚Positionalität‘ (sozusagen das transzendentale Prinzip jeder ‚Positionierung‘) war und ist eine kritische theoretische Maßnahme. Mit ihrer Hilfe sollte die Festlegung von Subjekten auf eine personale oder kulturelle ‚Identität‘ unterlaufen werden. Indem das Konzept der ‚Identität‘ infrage gestellt und an seine Stelle ein anti-objektivistisches Differenzierungsprinzip gesetzt wurde, konnte man auch aufhören, das Subjekt als ein sprechendes Bewusstsein, als den „Autor der Formulierung“ zu behandeln.

Stattdessen war es nun möglich, sich auf eine ‚Position‘ zu konzentrieren, „die unter bestimmten Bedingungen mit indifferenten Individuen gefüllt werden kann“ [7]. ‚Positionen‘ sind damit sowohl Potenziale in einem Möglichkeitsraum als auch bezogen auf die Kartografie dieses Möglichkeitsraums (oder Kräftefelds). Der Name des Autors wird dem Platz zugeteilt, von dem aus das Subjekt spricht. „‚Egal, wer spricht‘, doch was er sagt, sagt er nicht von irgendwo aus. Er ist notwendig in das Spiel einer Äußerlichkeit eingefangen.“ [8]

Dieses „Spiel einer Äußerlichkeit“ ist nicht zuletzt eine gesellschaftliche Auseinandersetzung um ‚Positionen‘ innerhalb des künstlerischen Feldes. „Alle Positionen hängen in ihrer Existenz selbst und in dem, was sie über ihre Inhaber verhängen, von ihrer aktuellen und potentiellen Situation innerhalb der Struktur (…) der Verteilung der Kapital- (oder Macht-)sorten ab.“ [9] Anders gesagt, „hängt die Positionalität in einem Feld mit Entscheidungs- und Zuschreibungswahrscheinlichkeiten zusammen, ohne sich je absolut aufzudrängen.“ [10] Es ist deshalb zu Recht darauf hingewiesen worden, dass in einem vergleichsweise schwach institutionalisierten gesellschaftlichen Feld wie dem künstlerischen die Eigenschaften der ‚Positions-Inhaber‘ ganz entscheidend für das Profil und die Ausgestaltung der jeweiligen ‚Position‘ verantwortlich sind. [11]

In Reaktion auf dieses relative Gewicht der Individuen, denen eine ‚Position‘ unterstellt wird (oder die eine ‚Position‘ für sich reklamieren), konstruieren die Institutionen des Kunstbetriebs die ‚künstlerische Position‘ gern als eine ihnen zunächst äußerliche Referenz, um sie sodann in ihre eigenen Narrative integrieren zu können. Identifiziert mit einem individuellen ‚Werk‘, einer Gruppe von ‚Arbeiten‘ oder einer kunsthistorischen ‚Situation‘, ist die ‚künstlerische Position‘ in jedem Fall problemlos adressierbar und letztlich auch von ihren individuellen Inhaber/innen isolierbar.

Aber wenn individuelle Merkmale und gesellschaftliche Position in eins fallen, kann es keine ‚Positionalität‘ geben, die das Prinzip der Individualität aufkündigt und stattdessen beispielsweise Formen der Kooperation und Solidarität anstrebt (und gegebenenfalls realisiert). Die ‚künstlerische Positionalität‘ kann dabei sowohl eine gesteigerte Individualität anzeigen, die Herausbildung einer Künstler/innen-Persona etwa, als auch eine lediglich vorgetäuschte Individualität, wenn ‚künstlerische Position‘ lediglich eine von aller Materialität bereinigte Individualität meint.

In beiden Fällen der Behauptung einer ‚künstlerischen Position‘ ist Kollektivität nur in bestimmten Grenzen vorgesehen. Eine Ansammlung individueller ‚Positionen‘ kann zwar eine ‚künstlerische Position‘ ergeben, die von mehreren Individuen geteilt wird. Aber dieses zur ‚Position‘ geronnene Kollektiv ist weniger ein soziales Gefüge als eine Menge von Ambitionen. Diese Menge bewegt sich nur dann oberhalb der Wahrnehmungsschwelle der Kulturökonomie, wenn sie von den Institutionen und ihren Repräsentanten als operationalisierbare Größe anerkannt wird. Nur in der Verwertungslogik kann die ‚künstlerische Position‘ – sei’s des Einzelnen, sei’s der Gruppe – überleben.

Dauerhaft kann man als Künstler/in bestenfalls auf die informellen Gemeinschaften der Boheme zurückgreifen, um die individuelle ‚künstlerische Position‘ zumindest vorübergehend in einer von mehreren geteilten ‚Position‘ aufgehen zu lassen. Und der Vergleich mit der ‚Subjektposition‘, die in Abgrenzung zu (oder Verwerfung von) konkurrierenden Identifizierungen eingenommen oder verfügbar gemacht wird, macht zudem deutlich, dass die ‚künstlerische Position‘ zwar leicht zu einem Objekt der Spekulation und des strategischen Ausschlusses werden kann, aber auch – zumindest theoretisch – Handlungsspielräume eröffnet. Die Spannung besteht zwischen (a) dem Pol, an dem die ‚künstlerische Position‘ im Sinne der Herstellung einer falschen Einheitlichkeit eingesetzt wird, die dabei regulative Funktionen in einer auf Trennung und Entsolidarisierung basierenden Konkurrenzsituation übernimmt, und (b) dem Pol eines ‚politischen‘ Sprachgebrauchs, an dem man sich bewusst ist, dass eine ‚künstlerische Position‘ das (Zwischen-)Ergebnis eines dynamischen Prozesses darstellt und dem von ihr Ausgeschlossenen ebenso verpflichtet sein sollte wie ihrer eigenen vermeintlichen Kohärenz.

So, wie der strukturelle Ort der ‚Subjektposition‘ nicht „vor der von ihr veranlassten Aussage“ existiert, wird auch die ‚künstlerische Position‘ diskursiv erzeugt. Mit anderen Worten: „Zwischen der ‚Position‘ und der ‚Aussage‘ besteht kein Verhältnis radikaler Äußerlichkeit.“ [12] Was aber ist eine „Aussage“, die eine ‚künstlerische Position‘ hervorbringt (und zugleich bestreiten, ja verunmöglichen kann)? Mit welchen diskursiven Mitteln und von welchen gesellschaftlichen und kulturellen Orten aus werden ‚künstlerische Positionen‘ produziert? Diese Fragen werden interessant, wenn man sich bewusst macht, dass ‚künstlerische Positionen‘ nicht allein das Ergebnis von Fremdzuschreibungen, sondern ebenso Gegenstand von Identifizierungen durch die kunstproduzierenden Individuen selbst sind.

4. PLURALE POSITIONEN UND / ODER ZUKÜNFTIGE GEMEINWESEN

Indem die ‚Position‘ theoretisch als Effekt und Funktion einer Feldsituation angesehen werden kann, eröffnen sich vielfältige Gelegenheiten, das Konzept zugunsten einer Redefinition künstlerischer Subjektivität einzusetzen. Aus einer subjektkritischen, feministischen oder postkolonialistischen Perspektive argumentierend, war in den einschlägigen kunsttheoretischen Kontexten von einer „diversity of positionalities“ die Rede, die auch das „spectatorship“ mit einschließt. [13] Die Unmöglichkeit einer einheitlichen, spezialisierten ‚Position‘ ermöglichte es Künstler/innen, das Spektrum der Möglichkeiten der ‚Positionalität‘ auszuschöpfen: „Ich selbst versuche daran zu denken, wie ich zugleich verschiedene Arten von Positionen besetze; als visuelle Produzentin, als Theoretikerin, als Kritikerin, als Betrachterin, als Leserin.“ [14]

Aber so berechtigt und konsequent diese Vervielfältigung professioneller, kultureller, subjektiver, sozialer und anderer Positionen sein mag – sie schaltet die Marktlogik der Nachfrage nach ‚künstlerischen Positionen‘ nicht aus. Diese zielt weniger auf eine angemessene Repräsentation künstlerischer Produktion als darauf, möglichst viel Kapital (in jedem Sinne) aus der Dekonstruktion des Subjekts der Transzendentalphilosophie und der Revision des Autorbegriffs zu schlagen.

Das dazugehörige ideologische Projekt besteht darin, die künstlerische Produktion in höherem Maß verfügbar zu machen. Freilich ohne vollends auf das Prinzip der individuellen Autorschaft zu verzichten, das für die Wertbildungsprozesse der Kultur unverzichtbar ist. Die Kategorie der ‚künstlerischen Position‘ kann – entsprechend definiert und zum Einsatz gebracht – zur Legitimation des besagten Projekts entscheidend beitragen. Ihre ideologisch-diskursive Durchsetzung lockert die Beziehung zwischen Kunstproduzent/in und Kunstproduktion, und sie stattet diejenigen, die von ‚Position‘ statt von ‚Werk‘ reden, überdies mit der Aura theoretischer Beschlagenheit aus. Die kritische Konsequenz dieses Vorgangs ist nicht ohne Perfidie: Sie scheint dazu zu zwingen, das Autorsubjekt zu restaurieren.

Ganz so weit muss man nicht gehen. Aber angesichts der diskursiven Funktionen der ‚künstlerischen Position‘ könnte man dazu aufrufen, die ‚Positionen‘ nicht sich selbst und ihren Nutznießern zu überlassen. Aus der offensichtlichen Unhaltbarkeit der Behauptung einer einzelnen kohärenten ‚Position‘ sollte man eigentlich den Schluss ziehen, fortan sowohl den diskursiven wie ökonomischen Handel mit ‚Positionen‘ zu unterbinden. Denn zum Tauschgegenstand können die ‚Positionen‘ nur werden, weil die pseudoprogressive Verabschiedung der Autorschaft eine Objektivität vorgaukelt, die am Ende einem marktgerechten Relativismus Vorschub leistet.

In Anlehnung an eine andere Diskussion sei deshalb empfohlen, noch einmal die Chancen der Verknüpfung und Verschränkung der ‚Positionen‘ zu prüfen. Nicht im Sinne freier Kombinierbarkeit auf den Reißbrettern des Kuratorentums, sondern als Suche nach Formen, „in denen die Identifizierung in das verwickelt ist, was sie ausschließt“ [15]. Zu zeichnen wäre die „Landkarte eines zukünftigen Gemeinwesens“ [16], in dem ‚künstlerische Positionen‘ weder Autor-Ersatz noch Handelsware sind.

Vielen Dank für Hinweise an Merlin Carpenter, Isabelle Graw und Clemens Krümmel.

ANMERKUNGEN

[1]Robert Smithson, The Collected Writings, hg. von Jack Flam, Berkeley/Los Angeles/ London 1996, S. 134.
[2]Alle vorstehenden und nachfolgenden nicht weiter ausgewiesenen Zitate sind kunstkritischen Texten, Anzeigen für Ausstellungen, Jurybegründungen oder Presseaussendungen der letzten Jahre entnommen.
[3]Vgl. Jacques Derrida, Positions, Paris 1972.
[4]Und Missverständnisse sind nicht ausgeschlossen: Denn eine „artistic position“ bezeichnet normalerweise eine Stellung in der Kreativabteilung eines Unternehmens. Mit der ‚künstlerischen Position‘ des deutschsprachigen Kunstjargons hat das wenig zu schaffen.
[5]Als Meta-Künstler/innen sollen Künstler/innen bezeichnet werden, die in para-kuratorialer Stellung und unter Ausübung einer gewissen Definitionsmacht dazu beitragen, dass Konstellationen einzelner ‚künstlerischer Positionen‘ sich zu einer übergreifenden ‚Position‘ im Kunstgeschehen einer Epoche formieren.
[6]Jeanne Siegel (Hg.), Art Talk. The Early 80s, New York 1988, S. 102.
[7]Michel Foucault, Archäologie des Wissens, Frankfurt/M. 1973, S. 167.
[8]Ebd., S. 178.
[9]Pierre Bourdieu, Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes, Frankfurt/M. 1999, S. 365.
[10]Hans Ulrich Gumbrecht, 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit, Frankfurt/M. 2001, S. 532 f.
[11]Vgl. Bourdieu, S. 365 f.
[12]Judith Butler, Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Frankfurt/M. 1993, S. 164.
[13]Vgl. Mary Kelly, Imaging Desire, Cambridge, Mass./London 1996, S. 178.
[14]Renée Green, in: A. Read, The Fact of Blackness. Frantz Fanon and Visual Representation, London / Seattle 1996, hier zit. nach: Gen Doy, Materializing Art History, Oxford/New York 1998, S. 243.
[15]Butler, S. 169.
[16]Ebd.
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