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Ein kleiner Sommerabriss

Juni

Letzte Woche habe ich zum ersten Mal für fünf Tage auf einer Baustelle gearbeitet. Eine Lidl-Filiale wurde umgebaut. Gewohnt habe ich mit den anderen in einem Arbeiterstrichhotel im Industriegebiet irgendwo in Bayern. Viele der Arbeiter waren wie ein Fiebertraum. Einer war Brony, der andere hatte ein so starkes Problem mit Meth, dass er wohl das letzte Mal einen seiner Zähne an einem Milchbrötchen ausbiss und mit einem anderen wiederum hatte ich vor zwei Jahren eine unangenehme Begegnung. Er, ein barfuß vor mir stehender, besoffener, hängengebliebener Punk machte mir unangenehm oft Komplimente für mein Zahnfleisch (irgendeinen komischen Zahnfetisch hatte er) und betonte, dass er es „curvy“ mag (und meinte damit wohl mich). Ich kann nicht genug betonen, wie unangenehm das alles war.  In den zwei Jahren ist er dann irgendwann zum Feminist geworden. „Ich bin das Awareness-Team für euch“, sagte er zu mir und einer anderen, die den Job ebenfalls zum ersten Mal machte. „Und wie ist das für dich als weiblich gelesene Person eigentlich…“ fuhr er fort. Auch den Filialleiter machte er auf sein frauenfeindliches Verhalten aufmerksam. Dieser erwiderte, dass er zwar Sexist, aber auf keinen Fall ein Frauenfeind sei. Rammstein lief im Hintergrund und ich fegte den Boden.

Später erzählte man mir, dass der besagte Punk nach der Arbeit öfters ins Bordell fährt, zum Kuscheln und Reden. Ich hoffe sie nehmen dafür mehr Geld.

Auf der Lidl-Toilette gab es eine besonders große Auswahl an den unterschiedlichsten Parfumdüften.

Juli

Ich bin im Zug nach Berlin. Die letzten beiden Wochen war ich zuerst in Paris Fritz besuchen und dann in einem kleinen Ort in der Steiermark. Insgesamt eine Woche war ich dort und ich hätte ohne Probleme noch weitere drei dort verbringen können. Es war schön; Lea hatte Geburtstag und jeden Tag kamen andere Leute vorbei, die ein paar Tage blieben und dann wieder fuhren. Auf der Alm hatte Maria die Liebesbriefe zwischen Virginia und Vita dabei, die wir uns eines Abends vorlasen. Maria hat gerade ziemlichen Liebeskummer und ich denke, es tröstet sie diesen verworrenen, schwülstigen Briefwechsel zu lesen. Mir war gar nicht bewusst, wie gemein Virginia war.

Ich habe leider nicht so viele Fotos dort gemacht. Natur ist so schön, dass sie schon wieder zu langweilig für ein Foto ist.

August

Insgesamt war ich einen Monat in Berlin. Nach drei Wochen hat mich Berlin angefangen zu nerven. Ich hatte konstant das Gefühl, dass ich die Stadt, sobald ich vor die Tür ging, abwehren musste, weil sie die Interaktion mit ihr, dir aufdringt. Am Anfang fand ich das ja noch ganz nett. Auch, dass dich viel mehr Leute auf der Straße anschauen – in Wien schauen dich die Leute nur an, wenn du extrem komisch aussiehst, oder etwas im Gesicht hast. Doch irgendwann war das zu viel. Auch die vielen Bettler:innen. Da muss man entweder ignorant, oder todtraurig werden. Einmal saßen wir in einer Bar und ein Typ kam mit einer Spielzeugpistole auf uns uns. „Hände Hoch, Geld her, sonst schieße ich“, sagte er, umringt von Bargeräuschen, während er seine Pistole auf uns richtete. Wenn ich in Berlin wohnen würde, würde ich nur noch weiße Bilder malen.

Wie Manuel war auch ich in der Neuen Nationalgalerie, fand aber die Ausstellung über Andy Warhol etwas langweilig. Die Betonung, dass er ein SCHWULER Mann war, hat mich genervt. Noch dazu, dass sein soziales Umfeld nicht wirklich thematisiert wurde. Was mich aber wirklich schockierte, waren die Bilder von Gerhard Richter, die im unteren Stock hängen Mir war das Ausmaß seiner Schrecklichkeit nicht bewusst. Ich bin wirklich immer noch geschockt davon. Selten habe ich so etwas furchtbares gesehen.

In der Modigliani-Ausstellung im Barberini Museum in Potsdam fand ich diese Malerei sehr schön. Interessant ist, dass seine ganzen Frauenabbildungen wunderschön, die Portraits von Männern dafür umso hässlicher sind.

September

Ich bin wieder in Wien.

Auf der Zugfahrt saßen in meinem Abteil zwei extrem unsympathische Menschen, die irgendwas mit der Kunst-und Kulturbranche zu tun hatten, sowohl vor als auch hinter mir. Ich empfand sie als so peinlich, dass ich schließlich mich selbst und alle anderen, die Kunst machen, einfach nur peinlich fand.

Lange hat das Gefühl anscheinend dann doch nicht angehalten. Hier ist ein Foto von der viennacontemporary after-drink-situation im Interconti. Ich hatte einen Long Island Ice Tea.

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